Was passiert, wenn wir ein Stück Fleisch in Salzsäure werfen? Erinnerst du dich an dieses Experiment im Biologie- oder auch Chemieunterricht? Genau: Zuerst fängt es an zu blubbern, dann dauert es einige Zeit und schließlich wird das Stück Fleisch komplett zersetzt. Dieses interessante Experiment ist natürlich nicht nur ein faszinierender Spaß für Achtklässler, sondern hat einen ganz praktischen Nutzen. Denn nichts anderes passiert in unserem Magen.
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Magensäure ist chemisch betrachtet Salzsäure (HCl), deren Aufgabe es ist, unsere Nahrung in seine Einzelteile zu zerlegen.Dank unserer schützenden Magenschleimhaut verdauen wir uns nicht selbst, sondern nur das, was wir essen. Magensäure gilt als die Säurepforte zu unserem Verdauungstrakt. Durch den Magen sollte nichts in den Darm gelangen, was dort Unheil anrichten kann. Bakterien, Parasiten, Keime - die Aufgabe der Magensäure ist es, so ziemlich alles abzutöten, was in unserem Organismus nichts zu suchen hat.

Ähnlich wie unser Speichel, der bereits den ersten Schritt der Verdauung darstellt, ist die Magensäure zudem eine wichtigeVoraussetzung für eine gesunde Verdauung. Durch sie werden Nahrungsmittel in ihre Bestandteile aufgebrochen. Das funktioniert nur innerhalb eines sehr kleinen Bereiches - zu viel ist ebenso wenig gut, wie zu wenig Magensäure. Ist nicht genügend Magensäure vorhanden, kann die Nahrung nicht richtig aufgebrochen werden, d.h. weder Eiweiße, noch Kohlenhydrate oder Fette können ausreichend verdaut werden.

Verdauungsbeschwerden durch zu wenig Magensäure

Leider verfügen immer weniger Menschen über eine ausreichende Magensäureproduktion. Das verursacht besonders bei einer Umstellung auf eine gesunde Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln Probleme, weil bestimmt Lebensmittel, wie ballaststoffreiches und eiweißhaltiges Gemüse oder auch Fleisch schlecht vertragen werden. Das bedeutet nicht, dass beispielsweise eine vegetarische oder vegane Ernährung verdauungsfreundlicher ist, sondern lediglich, dass die Symptome durch Vermeidung der betreffenden Lebensmittel vermindert werden, ohne, dass die Ursache tatsächlich behoben wurde.

Die Folgen von zu wenig Magensäure sind
  • Blähungen, Übelkeit, Durchfall oder Verstopfungen
  • Sodbrennen und Reflux (der Grund ist sehr, sehr selten zu viel Magensäure!)
  • Hautkrankheiten, wie Rosacea, Akne im Erwachsenenalter oder Ekzeme
  • schlechte Verträglichkeit von eiweißreichen Nahrungsmitteln (auch grünes Gemüse)
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten
  • Eisenmangel
  • Vitaminmangel (B12, B6...)
  • Asthma
  • Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO)
  • Osteoporose
  • Zöliakie, Colitis Ulcerosa
  • Erschöpfung
  • Histaminintoleranz
Die Rolle der Magensäure bei der Verdauung von Eiweiß und Kohlenhydraten

Eiweißverdauung

Proteine sind Polypeptide, die aus Aminosäuren zusammengesetzt werden und entsprechend ihrer Aufgabe eine bestimmte Struktur aufweisen. Unsere Magensäure zersetzt zum einen das Eiweiß und löst außerdem die Produktion des Verdauungsenzyms Pepsin aus, das notwendig ist, um die Proteine in die einzelnen Aminosäuren zu zerlegen. Ist nicht genug Magensäure vorhanden, fehlt der Signalgeber zur Ausschüttung von Pepsin, das heißt, dass die Proteine aus der Nahrung nicht ausreichend oder gar nicht aufgespalten werden können.

Diese unverdauten Eiweiße „faulen“ im Darm und können so Blähungen, Winde, Sodbrennen und andere Verdauungsbeschwerden hervorrufen. Insbesondere in Kombination mit einem durchlässigen Darm (leaky gut) ist dies ein größeres Problem, was zu zahlreichen Unverträglichkeiten, einer ständigen Aktivierung des Immunsystems und damit zu einer Reihe von Problemen führen kann. Hier gilt ganz besonders der Grundsatz, dass alles, was wir selbst nicht verdauen, Futter für unsere Bakterien ist.

Eine unzureichende Verdauung von Eiweißen kann zudem auch zu einem Mangel an essentiellen Aminosäuren führen, wodurch Depressionen und Schlafstörungen entstehen können.

Da Proteine, also Eiweiße, in nahezu allen natürlichen Lebensmitteln vorkommen, ist eine verminderte oder eingeschränkte Eiweißverdauung beim Verzehr von bestimmten Lebensmitteln besonders zu bemerken.

Neben
  • tierischen Nahrungsmitteln, enthalten auch
  • Linsen,
  • Nüsse und
  • nahezu alle grünen Gemüsesorten
viel Eiweiß und werden bei einem Mangel an Magensäure unter Umständen schlecht verdaut.

Kohlenhydratverdauung

Auch bei der Zerlegung von Kohlenhydraten in Zucker spielt unsere Magensäure eine wichtige Rolle. Die Verdauung von Kohlenhydraten beginnt bereits im Mund durch das Enzym Alpha-Amylase in unserem Speichel. Beim Eintritt in den Magen, wird dieses Enzym wieder gestoppt. Passiert der Speisebrei den Magen, und tritt dann in den in den Dünndarm ein, werden Alpha-Amylasen durch die Bauchspeicheldrüse wieder zugeführt. Das funktioniert jedoch nur, wenn ausreichend Magensäure vorhanden ist. Ist der Speisebrei nicht sauer genug, wird auch die Ausschüttung dieser Enzyme durch die Bauchspeicheldrüse nicht ausgelöst und Kohlenhydrate können nicht ausreichend verdaut werden.

Diese unverdauten Kohlenhydrate sind ein gutes Futter für die Bakterien in unserem Dünndarm, wodurch eine Fehlbesiedelung des Dünndarms (SIBO) und damit Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfälle begünstigt werden.

Vitamine und Mineralien

Die Aufgabe der Magensäure ist es, unsere Nahrung aufzuspalten und Nährstoffe für die Absorption im Dünndarm verfügbar zu machen. Gelingt dies aufgrund von zu wenig Magensäure nicht, ist auch die Aufnahme von bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen gehemmt. Zu den wichtigsten Nährstoffen, die dann schlecht aufgenommen werden können, gehört:
  • Kalzium
  • Magnesium
  • Zink
  • Kupfer
  • Chrom
  • Selen
  • Mangan
  • Vitamin B12
Wird bei diesen Nährstoffen ein Mangel festgestellt, sollte eine unzureichende Produktion von Magensäure in Betracht gezogen werden.

Ursachen für eine verminderte Magensäureproduktion

Eine verminderte Produktion von Magensäure kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Eine gesicherte Diagnose kann nur durch einen Gastroenterologen im Rahmen einer Magenspiegelung gestellt werden.

Zu den wichtigsten Ursachen gehören:

Infektionen mit Helicobacter pylori

Helicobacter pylori ist weltweit sehr weit verbreitet und unterdrückt die Produktion von Magensäure als Überlebensstrategie[1]. Fast jeder dritte Deutsche trägt den Magenkeim in sich, wobei die meisten Menschen davon nichts merken. Er steht jedoch in engem Zusammenhang mit Gastritis, einer Magenschleimhautentzündung, durch die die Produktion von Magensäure vermindert wird. Helicobacter pylori lässt sich heute gut diagnostizieren. Wenn du den Verdacht hast, solltest du dies als erstes untersuchen lassen.

Protonenpumpenhemmer

Die Langzeitnutzung von Protonenpumpenhemmern (z.B. Omeprazol und Pantoprazol), auch als Säurehemmer bekannt, führt zu einer deutlichen Reduktion der Magensäureproduktion. Protonenpumpenhemmer werden bei Reflux und Sodbrennen sehr häufig eingesetzt und verursachen langfristig schwere Verdauungsprobleme. Das Problem bei Protonenpumpenhemmern ist, dass durch den Anstieg des pH-Wertes im Magen die Funktion des Magens als Säurepforte zum Darm aufgehoben wird, d.h. Bakterien und Keime können nicht mehr richtig abgetötet werden. Dadurch entstehen zusätzliche Probleme durch den Verzehr von Keimen auf Lebensmitteln, wie bspw. Salat[2].

Eine einfache Ernährungsumstellung und die Zuführung von natürlichen Lebensmitteln, die die Produktion von Magensäure anregen, löst die Problematik um Reflux und Sodbrennen ebenso - dafür aber nachhaltig und gesund.

Antazida

Antazida (z.B. Maaloxan, Ancid, Talcit) sind basische Substrate, die die Säure des Magensaftes neutralisieren sollen. Sie wirken symptomatisch und sollen nur bei auftretenden Beschwerden eingenommen werden, da die Wirkung zügig nachlässt. Neuere Präparate dämpfen die Magensäureproduktion allerdings auch über mehrere Stunden.


Alter

Die Produktion von Verdauungssäften, wie auch die Funktion der Verschlussklappe zwischen Magen und Speiseröhre lässt im Alter nach. Letzteres ist vor allem bei Übergewicht zu beobachten.

Vegane oder vegetarische Ernährung

„Use it or loose it!“ gilt so oft, wenn es um unseren Körper geht. Aber nicht nur die Muskulatur geht uns flöten, wenn wir sie nicht benutzen, sondern auch die Magensäureproduktion wird bei einer veganen oder eiweißarmen vegetarischen Ernährung eingeschränkt. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass ein Eisenmangel, der durch eine unausgewogene vegetarische oder vegane Ernährung entstehen kann, zu einer Entzündung der Magenschleimhaut und dadurch auch zu einer Verminderung der Magensäureproduktion führen kann[3].

Natürliche Hilfe bei zu wenig Magensäure

Bitterstoffe

Um die eigene Produktion von Magensäure auf natürlichem Wege anzuregen, kannst du deine Ernährung mit Lebensmitteln ergänzen, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe die Sekretion von allen Verdauungssäften positiv beeinflussen. Dazu gehören vor allem alle Lebensmittel, die bitter sind.

Bitterstoffe werden seit jeher in der Naturheilkunde und Pflanzenheilkunde zur Förderung der Verdauungsaktivität genutzt.Interessant ist, dass besonders die Leute, die diese Lebensmittel nicht mögen, sie am ehesten brauchen. Aber keine Sorge: man gewöhnt sich sehr schnell daran und entwickelt sogar eine Vorliebe dafür, sobald sich ein besseres Wohlbefinden einstellt.

Bitterstoffe
  • regen die Produktion von Magensäure und Pepsin an,
  • fördern die Ausschüttung von Gastrin etwas (ein Hormon, dass die Produktion von Magensäure anregt),
  • verbessern die Beweglichkeit der Gallenblase und
  • bereiten die Bauchspeicheldrüse auf die Mahlzeit vor.
Folgende bittere Lebensmittel eigenen sich gut als kleine Vorspeise vor dem eigentlichen Hauptgericht um die Magensäureproduktion anzuregen:
  • Bittere Salate, wie Rucola, Chicorée, Endiviensalat, Friseé, Radicchio, Löwenzahn
  • z.B. mit Grapefruit, Ananas oder einem Zitronen-/Essigdressing
Interessant ist hier vielleicht auch noch zu wissen, dass Bitterstoffe im Mund wirken. Das heißt, dass bereits der Geschmack von bitter ausreichend ist um die Verdauung anzuregen. Der Grund dafür könnte sein, dass diese Funktion als Schutzmechanismus entstanden ist, da viele giftige Substanzen bitter schmecken[4].

Auch ein Glas Wasser mit einer halben Zitrone oder ein kleines Schnapsglas mit Apfelessig vor dem Essen kann die Verdauung anregen.

Hauptgerichte sollten regelmäßig mit frischen Kräutern, wie Rosmarin, Thymian, Salbei, Lorbeer, Kresse etc. und Gewürzen wie frisch gemörstem Pfeffer, Ingwer, Chili, Kurkuma (Curry), Kümmel, Muskat oder auch Senf zubereitet werden.

Diese Wildkräuter wirken sich ebenso positiv auf die Produktion von Verdauungssäften aus: 5 Wildkräuter für deinen Frühlings-Smoothie

Als Ergänzung dazu gibt es auch einige Präparate, die in Tropfenform vor oder auch nach den Mahlzeiten eingenommen werden können. Sie enthalten meist ein oder mehrere der folgenden Kräuter:
  • Enzian
  • Tausendgüldenkraut
  • Bitter- oder Fieberklee
  • Kalmus
  • Engelwurz
  • Benediktenkraut
  • Galgant
  • Gelbwurz
HCl und Pepsin

Ein sehr effektiver Weg Magensäure zu ersetzen, ist sie in Form von HCl-Kapseln einzunehmen. HCl sollte immer in Kombination mit Pepsin genutzt werden. Dahinter steckt die Annahme, dass ein Magen, der nicht genug Magensäure produziert, auch nicht genug Pepsin für die Eiweißverdauung ausschütten kann.

Zwar sind die Kapseln frei verkäuflich, sie sollten aber erst nach einer ärztlichen Diagnose eingesetzt werden. Besonders bei Patienten, die unter einer chronischen Gastritis leiden, ist die Magenschleimhaut unter Umständen nicht dick genug, um die größere Menge HCl gut zu vertragen. In diesen Fällen kann es zu schwerwiegenden Problemen kommen.

Im Allgemeinen sind HCl+Pepsin Kapseln aber sehr gut verträglich. Die Dosis der Kapseln wird schrittweise erhöht bis die gewünschte Wirkung einsetzt. Für eine genaue Dosierungsanleitung frage gern eine unserer Ernährungsberaterinnen. Eine Therapie von 3-6 Monaten kann die eigene Magensäureproduktion bei einer Umstellung der Lebens- und Essgewohnheiten wieder soweit herstellen, dass auf die Supplementierung verzichtet werden kann.

Fazit

Eine gesunde Verdauung und die Aufnahme von wichtigen Nährstoffen sind von einer ausreichenden Magensäureproduktion abhängig. Wird nicht genug Magensäure produziert, kann das zu Nährstoffmängeln und anderen chronischen Erkrankungen führen. Eine niedrige Magensäureproduktion kann zudem gefährlichen Keimen und Viren den Weg in den Magen- und Darmtrakt erleichtern, wodurch Infektionen und Immunreaktionen begünstigt werden.

Eine Ergänzung der Ernährung mit Bitterstoffen und eine Supplementierung mit HCl sowie Pepsin, können die Ursachen einer zu geringen Magensäureproduktion langfristig beheben.

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Referenzen

Lieteraturempfehlung: Why Stomach Acid Is Good for You: Natural Relief from Heartburn, Indigestion, Reflux and GERD

[1] E. El-Omar, K. Oien, A. El-Nujumi, D. Gillen, A. Wirz, S. Dahill, C. Williams, J. Ardill, and K. McColl, “Helicobacter pylori infection and chronic gastric acid hyposecretion,” Gastroenterology, vol. 113, no. 1, pp. 15 - 24, Jul. 1997.

[2] “Wegen Magensäure-Hemmern - Rohkost kann Sie umbringen!” [Online]. Available: http://www.deutschlandradiokultur.de/wegen-magensaeure-hemmern-rohkost-kann-sie-umbringen.993.de.html?dram%3Aarticle_id=314145. [Accessed: 01-Jun-2015].

[3] “Vitamin B12 (Cobalamin) - Rhetoric, Reality, and Vegan Diets.” [Online]. Available: http://www.beyondveg.com/billings-t/comp-anat/comp-anat-7a.shtml. [Accessed: 20-May-2015].

[4] K. Bone and S. Mills, Principles and Practice of Phytotherapy: Modern Herbal Medicine. Elsevier Health Sciences, 2013.