Roh, gekocht oder gemahlen und in Kapseln verpackt? Vor allem in den USA ist es ein Trend, dass Mütter die eigene Plazenta verzehren. Die Liste der angeblichen positiven Effekte ist lang - doch Forscherinnen winken ab.
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Im Tierreich ist es üblich, dass die Plazenta nach der Geburt verspeist wird. Bei Menschen ist es ein relativ neuer Trend. Freunde und Vermarkter der Idee preisen zahlreiche positive Effekte - vom Ankurbeln der Muttermilchproduktion bis zum Abwenden einer Wochenbettdepression.

Allerdings: Wissenschaftlich belegt sind die vielen segensreichen Auswirkungen des Plazenta-Verspeisens nicht, berichtet ein Team um Crystal Clark von der Northwestern University in Chicago (US-Bundesstaat Illinois) im Fachblatt Archives of Women's Mental Health.

Die Forscherinnen haben die Studienlage zum Thema zusammengetragen und festgestellt: Es gibt kaum Untersuchungen. Eine Studie aus dem Jahr 1954, die heutigen wissenschaftlichen Standards nicht genügt, wird häufig ins Feld geführt: Die meisten Mütter, die gefriergetrocknete Plazenta verzehrt hatten, gaben damals an, dass sie mehr Milch hatten. Eine direkte Kontrollgruppe, die ein Placebo bekam, gab es nicht. Dies holten die Forscher zwar später mit einer sehr kleinen Gruppe von Frauen nach, aber, so das Urteil des jetzt erschienen Fachartikels: Eindeutige Schlüsse lasse dies Untersuchung nicht zu. Und das sei die einzige Studie zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Plazenta-Essens beim Menschen, die man habe finden können.

Clark und ihre Kolleginnen berichten über Tierversuche, die nahelegen, dass in der Plazenta enthaltene Stoffe die Wirkung körpereigener schmerzhemmender Substanzen verstärken können. Das funktioniere aber nur, wenn diese vom Körper produzierten Opioide schon in größeren Konzentrationen vorliegen, wie es bei der Geburt der Fall ist. Daten aus Tierversuchen stützten dagegen nicht die Idee, dass sich die Milchproduktion durch den Plazenta-Verzehr erhöhe, dass sich der Körper schneller von der Schwangerschaft erhole oder der Hormonhaushalt ausgeglichen werde.

Heilmittel in der chinesischen Medizin

Zudem zeigte eine systematische Suche in ethnologischen Quellen: Der Verzehr der eigenen Plazenta ist oder war in keiner der untersuchten Kulturen eine übliche Praxis. In wenigen Gesellschaften gab es den Glauben, der Verzehr könne die Gesundheit fördern. In einigen anderen galt die Nachgeburt dagegen als unsauber oder verseucht.

Eine chinesische Quelle aus dem 16. Jahrhundert nenne getrocknete menschliche Plazenta als Heilmittel gegen verschiedene Leiden. Frisch gebackenen Müttern wurde es wohl nicht serviert, denn helfen sollte das Mittel gegen Impotenz und Unfruchtbarkeit.

Das Fazit im Fachartikel: "Anhand der vorliegenden Daten ist es nicht möglich, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, die sich auf die menschliche Gesundheit beziehen."

Was soll's, könnte man jetzt denken - es wird schon nicht schaden. Hier warnen die Wissenschaftlerinnen jedoch vor voreiligen Schlüssen, denn mögliche Nebenwirkungen sind ebenso wenig erforscht. Die Plazenta arbeitet als Barriere, die das ungeborene Kind vor schädlichen Stoffen schützt, indem sie diese aufhält. Neben potenziell gesundheitsfördernden Substanzen wie Eisen kann das Gewebe deshalb auch Schwermetalle enthalten. Ebenso können sich Bakterien und Viren darin finden.

Frauen, die sonst sehr darauf achteten, was sie während Schwangerschaft und Stillzeit verzehren, würden hier etwas konsumieren, dessen Nutzen nicht belegt und dessen Risiken unbekannt seien, sagt die ebenfalls an der Studie beteiligte Forscherin Cynthia Coyle. "Es gibt keine Vorschriften, wie die Plazenta gelagert, zubereitet und dosiert wird. Die Frauen wissen nicht, was sie zu sich nehmen."

Zusammenfassung: Der mögliche Nutzen und Schaden des Verzehrs der eigenen Plazenta ist bislang so schlecht erforscht, dass sich keine Aussagen darüber treffen lassen.

wbr