Software wandelt Bilder in das von Tieren wahrgenommene Spektrum um
sonnenbadende Eidechsen Farbvergleich
© Jolyon TrosciankoSonnenbadende Eidechsen: Aus menschlicher Sicht (links) ist das Männchen (oben) einigermaßen getarnt. Aus Sicht des Weibchens (rechts) sind seine Wangenflecken viel auffälliger.
Mit den Augen eines Tieres: Eine neue Software lässt uns die Welt auf völlig neue Weise sehen. Denn sie zeigt uns Farben und Muster, wie sie der Sehsinn verschiedener Tiere wahrnimmt. Das Programm rechnet dafür die Informationen der Kamera in das vom jeweiligen Tier wahrgenommene Spektrum um. Auf einfache Art können Forscher damit Signale auswerten, die die Tiere ansonsten vor uns verbergen.

Unsere Augen sind ziemlich hoch entwickelt: Menschen und die meisten Primaten nehmen die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau wahr. Die Rezeptoren für diese Farben auf unserer Netzhaut setzen daraus das für uns sichtbare Farbspektrum zusammen. Doch das Farbensehen ist nicht überall im Tierreich gleich ausgeprägt. Die meisten übrigen Säugetiere sehen bloß blau und gelb. Für uns noch schwerer vorstellbar ist die Sicht vieler Vögel und Reptilien, die sogar vier verschiedene Farbsensoren besitzen.

Unsere Sicht der Dinge ist vorgefärbt

Völlig unsichtbar ist für Menschen der UV-Bereich - doch viele Insekten wie beispielsweise Bienen sehen auch dieses Licht. Besonders die Blüten von Blumen sind im UV-Bereich oft besonders auffällig, weil sie mit diesen Mustern UV-sehende Insekten als Bestäuber anlocken. Bei Vögeln und Reptilien sind UV-Muster ein Signal bei der Partnersuche.

Unsere Sicht der Welt ist dadurch zwangsweise vorgefärbt: Viele Details und Farbsignale anderer Tiere untereinander entgehen uns. Wie beispielsweise eine Blume aus Sicht einer Biene oder Hummel aussieht, ist für uns kaum nachvollziehbar. Doch Jolyon Troscianko und Martin Stevens von der University of Exeter haben nun ein Werkzeug entwickelt, dass uns die Welt durch die Augen der Tiere sehen lässt: Die von ihnen entwickelte Software rechnet Digitalfotos in Tiersicht um.

Bilder lassen sich in Tiersicht umwandeln

Farbvergleich Blume
© Jolyon TrosciankoDie Blüte von Echium angustifolium ist für Menschen einheitlich gefärbt (links), Bienen sehen Flecken im UV-Bereich (rechts).
"Digitale Kameras sind wirkungsvolle Werkzeuge, um Farben und Muster in der Natur aufzuzeichnen", sagt Troscianko, "aber bis jetzt war es überraschend schwer, Digitalfotos für genaue und zuverlässige Farbmessungen zu verwenden." Dieses Problem kann jeder leicht nachvollziehen: Je nach Bildschirm- oder Display-Einstellungen können Farben völlig unterschiedlich erscheinen. Sie genau zu kalibrieren ist kompliziert.

"Unsere Software erlaubt es, Bilder zu kalibrieren und in Tiersicht umzuwandeln", erklärt Troscianko. "So können wir gleichermaßen nachvollziehen, wie eine Scene für Menschen und Nicht-Menschen aussieht."

Ziel der Wissenschaftler war es, die neue Software benutzerfreundlich zu gestalten. Wenn Forscher bislang Bilder an die Sicht eines Tieres anpassen wollten, mussten sie oft verschiedene Farbräume in unterschiedlichen Schichten aufwändig selbst berechnen. Diese Arbeit nimmt die Software dem Benutzer nun weitgehend ab. Außerdem stellen die Programmierer Daten für Kameraeinstellungen für häufig untersuchte Tiere zur Verfügung, darunter Menschen, Bienen, Frettchen und einige Fische und Vögel.

UV-Bereich lässt sich einbeziehen

Um UV-Licht mit einzubeziehen, ist eine Kamera nötig, die auch diesen Bereich des Spektrums aufzeichnen kann. Zwei Aufnahmen durch unterschiedliche Filter lassen sich zu einem Einzelbild zusammenfügen, um den entsprechenden Eindruck deutlich zu machen.

"Wir hoffen, dass andere Wissenschaftler diese Open Access Software benutzen und dass sie ihnen bei der Analyse digitaler Bilder hilft", sagt Troscianko. Zum Teil hat sich diese Hoffnung bereits erfüllt: In Studien über Farbwechsel bei Strandkrabben und die Veränderung der Gesichtsfarbe bei Frauen während des Zyklus kam die Software bereits zum Einsatz. "Die Welt durch die Augen eines anderen Tieres zu sehen ist dank unserer neuen Software viel einfacher geworden", fasst Troscianko zusammen.

(Methods in Ecology and Evolution, 2015; doi: 10.1111/2041-210X.12439)

Die Wissenschaftler bieten die Software frei zum Download an. Vorraussetzung ist eine Installation der OpenSource Bildbearbeitung ImageJ.