Aber bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Werk als wahrer Schatz der Propaganda.
Ich berichtete hier bereits vom Artikel „Putin will EU Lebensmittel vernichten lassen“ (25.07.15, diepresse.com)
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4784407/Embargo_Putin-will-EULebensmittel-vernichten-lassen
Kurz: Lebensmittel die trotz Sanktionen importiert werden, sollen künftig nicht mehr zurück geschickt, sondern vernichtet werden.
Ganze 11 Tage später hat auch die Tagesschau von diesem Skandal erfahren. Oder aber man hat 11 Tage gebraucht, die Geschichte so darzustellen, dass der Leser nicht nur sagt: „ach je“ sondern den Putin so richtig grausam findet.
Putin lässt West-Lebensmittel vernichten: https://www.tagesschau.de/inland/putin-341.html
Alleine die Überschrift macht klar: jetzt ist das Ost-West-Denken wieder natürlich. Denn das betrifft eigentlich nicht nur West Lebensmittel, sondern auch Südlebensmittel (Australien). Also für alle, die wie ich die 80er irgendwie vermissen, wegen der Musik, des Kalten Krieges und all der anderen tollen Sachen: sie kommen gerade wieder. Willkommen!
Doch jetzt zur irren ARD:
Zitat:Hä? Wie Lebensmittel, die trotz Einfuhrverbot nach Russland gelangten wurden zum Teil vom Zoll „verzockt“?????
„Viele Russen sind empört. Präsident Putin lässt Nahrungsmittel aus dem Westen vernichten. Joghurt, Käse, Fleisch, Gemüse - Produkte, die seit einem Jahr unter das Embargo fallen und trotzdem ins Land kamen. Viele sind überzeugt, dass der Zoll einen Großteil verzockt.”
Zitat Ende
Wie bitte verzockt man Lebensmittel? Was will der Autor damit ausdrücken?
Womöglich wollte man spekulieren, dass der Zoll die Lebensmittel verhökert, verspeist, sich fürs Wegschauen bezahlen lässt... möglich.
Natürlich wird ausgerechnet von einem Deutschen darüber fabuliert, dass das Vernichten von Lebensmitteln ganz dolle böse ist. Wo so was bei uns ja niemals systematisch passieren würde (ästhetische Selektion bei Lebensmittel käme nie in Frage,
gelle).
Falls die Deutschen sich daran erinnern, wird gleich ein Hammer nachgelegt:
Zitat:
„Das ist ein großes moralisches Problem, diese Lebensmittel zu verbrennen. Denn wir erinnern uns an Leningrad und Stalingrad, zu dritt hatte man da eine Woche lang eine einzige Brotkruste zu essen. Für diese Menschen und für ihre Nachkommen ist es barbarisch, Essen zu verbrennen. Barbarisch.“
Zitat Ende
Kommentar: Widersprüchlich. Vermutete die Tagesschau nicht zuvor, dass die Lebensmittel zum Großteil vom Zoll verzockt würden?
Also man merke: wenn die Russen, deren Vorfahren in Petersburg und Wolgograd (ich hatte im Gegensatz zur Tagesschau ein Update und kenne die neuen Namen) hungerten, Lebensmittel vernichten, dann ist das barbarisch (gleich zwei Mal).
Da stellt sich mir die Frage, warum die Lebensmittelvernichtung durch die Nachfahren derer, die dafür sorgten, dass die Russen hungerten, nicht barbarisch ist. Aber gut, ich muss ja auch nicht alles verstehen.
Kommentar: Richtig. Warum gibt es nicht die gleiche Empörung über Lebensmittelvernichtung in Deutschland und in der EU? Es werden insgesamt jährlich Millionen von Tonnen an haltbaren Nahrungsmitteln im Lebensmittelhandel vernichtet, die man noch an Bedürftige hätte verteilen können.
Und natürlich sind wieder mal „viele Russen“ empört, über die Lebensmittelvernichtung.
Zitat:Ob nun Russen, die arm sind, überhaupt die betroffenen Lebensmittel kaufen, weiss ich nun nicht. Ist nur so ein Gedanke.
(es geht um die Armen in Russland)
„Und davon gibt es in der aktuellen Krisenzeit immer mehr: Mehr als 20 Millionen Russen leben unter der Armutsgrenze.“
Zitat Ende
So, jetzt empören wir uns alle einmal darüber, dass in Russland 20 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben. Diese Tatsache wurde auch fett hervorgehoben, sicher um den Empörungswilligen das viele Lesen zu ersparen. Dank des medialen Russlandfeldzuges weiss ich natürlich: das ist das System Putin.
Allerdings komm ich ein wenig ins Schleudern.
Bei 144 Millionen Russen sind 20 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze ca, 13,89% der Bevölkerung.
In Deutschland gibt es 16-20% der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben.
(Quelle: http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/deutschland-bis-zu-20-prozent-leben-unter-armutsgrenze-aid-1.4888689)
Kommentar:
Heisst das jetzt etwa, dass die Merkel sogar noch viel schlimmer ist als der Putin? Jedenfalls erschliesst mir nun nicht so ganz, worüber ich mich empören soll.
Doch jetzt folgt mein persönlicher Favorit.
Zitat:Zuerst: dass der russische Zoll korrupt ist, ist in diesem Satz eine Feststellung, und weil das so ist, “glaubt” der Herr Belkowskij.
Da der russische Zoll für korrupte Geschäfte bekannt ist, glaubt der Wirtschaftsexperte Stanislaw Belkowskij nicht, dass die neuen Maßnahmen greifen.“
Zitat Ende
Aber jetzt - The Winner is:
Der Wirtschaftsexperte Stanislaw Belkowskij.
Also heute.
Am 07.05.2010 war er Politologe (WDR also auch ARD)
http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag5122.html
Am 15.04.2014 wurde er von der ARD als “Stanislaw Belkowski, Mitgl. Putins Menschenrechtsrat:” vorgestellt. http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/wdr/weltspiegel-putin-vom-09032014-100.html
Am 02.05.2014 war er laut ARD ein Politikwissenschaftler und ein „ausgewiesener Experte für die Politik Wladimir Putins“
http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/wdr/interview-stanislaw-belkowskij-100.pdf
Im Oktober 2014 wurde er in Lielischkies Machwerk (Tödliche Falle Ilowajsk), ebenfalls ARD, als Kremlexperte bezeichnet.
Der Mann scheint eine Eierlegende-Woll-Milch-Sau zu sein. Denn in den deutschen Medien wird er auch als „politischer Analyst“ gerne zitiert.
Nur der Spiegel, der tanzte echt mal aus der Reihe, denn für diesen war Belkowski (wie er auch gerne geschrieben wird) einfach nur:
„Belkowski, Star-Kolumnist einer Moskauer Boulevardzeitung“
(Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-skandalbuch-ueber-putin-a-936715.html) also so eine Art Sibylle Weischenberg nur ohne das grässliche Augen-Make-Up aber dafür vermutlich mit viel flacheren Schuhen.
Liebe Medien, entweder ihr recycelt einen Russen und verwendet ihn unter anderen Namen wieder oder aber ihr nehmt den anderen und verpasst ihm einen Expertenstatus nach dem anderen. Ihr wisst aber schon, dass das nicht nötig ist, oder? Ich meine, bei 144 Millionen Russen, sollte ein wenig Abwechslung durchaus möglich sein.
Kommentar: Es ist eindeutig, dass mit dem aktuellen Hype in den Medien über die Lebensmittelvernichtung in Russland hauptsächlich das Putin-Feindbild geschürt werden soll. Die Tagesschau ist nur eines von vielen Beispielen. Bei diesen Lebensmitteln handelt es sich um Schmuggelwaren, die trotz des Embargos von EU-Gütern über benachbarte Länder nach Russland gelangen. Wenn verbotene Lebensmittel in Deutschland eingeschmuggelt würden, würden Bedürftige hier auch nichts davon sehen. Russland befolgt also lediglich Gesetze, die andere Länder auch einhalten, und die hiesige Presse regt sich darüber auf. Sie benutzt Wendungen ("Korruptheit des russischen Zolls"), unklare Zahlenangaben ("viele Russen", die sich aufregen) und Taktiken (Erinnerung an die von Nazi-Deutschland verursachten Kriegshungersnöte in Lenin- und in Stalingrad), um die Emotionen der Menschen gegen Russland aufzustacheln. Eine sachliche Betrachtung bleibt außen vor. Diese Manipulation und das einseitige Fingerzeigen macht eines deutlich: Es geht nicht um die Armen in Russland. Es geht darum, den Menschen folgendes Mantra einzuhämmern: "Böser Putin! Böses Russland!"
Wenn es den Medien wirklich um die Bedürftigen ginge, sollten sie in erster Linie damit anfangen, die Sanktionen gegen Russland zu kritisieren. Denn die sind der Hauptgrund für das russische Einfuhrverbot und den daraus folgenden Schmuggel.
Hier sind einige Artikel zum Weiterlesen: