Statistisch gesehen gibt es von zehn Menschen nur einen, der in seinem Leben niemals von Rückenschmerzen geplagt wurde. Dagegen treten allein in Deutschland jährlich ca. 800.000 neue Bandscheibenvorfälle auf, von den anderen Ursachen für Rückenschmerzen mal ganz zu schweigen. Ungefähr 70.000 bis 80.000 Betroffene werden operiert.
Rückenschmerzen
Prof. Dr. Jürgen Harms, Chefarzt im Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, sagt dazu: "40.000 Operationen davon wären vielleicht nötig." Wenn er recht hat, bedeutet das: Die Hälfte der Operationen, die sehr häufig mit dauerhaften Bewegungseinschränkungen einhergehen und sogar selbst dauerhafte Schmerzen verursachen können, wäre vermeidbar!

Und in der Tat beobachte ich in der Praxis immer wieder Patienten, die ein endloses "Doktor-Hopping" hinter sich haben. Da werden nacheinander Neurochirurgen, Orthopäden, Sportärzte, Akupunkteure und andere Ärzte und Heilpraktiker-Kollegen aufgesucht. Und je nachdem welchen Facharzt oder Fachtherapeuten Sie gefunden haben, heißt es: abwarten, Krankengymnastik, Schmerztablette oder sofort operieren. Und das nicht bei unterschiedlichen Patienten, sondern bei dem GLEICHEN Patienten, mit der gleichen Problematik.

Während Mitte/Ende der 90er Jahre jeder operiert wurde, der irgendwelche Rückenschmerzen hatte (etwas überspitzt ausgedrückt), so wird heute erst einmal versucht, nicht zu operieren. Aber auch das ändert sich in den letzten Jahren wieder, vor allem seit die "Mikrochirurgie" Einzug gehalten hat. Weil sie nicht so belastend für den Körper ist wie das alte „Aufschneiden“, werden wieder mehr Patienten schnell auf den Operationstisch gelegt.

Dennoch tendieren vernüntigerweise viele Ärzte erst einmal zum Abwarten und zu einer sogenannten "konservativen" Therapie. Erst wenn alles andere versagt, wird nach etwa sechs bis acht Wochen eine Operation ins Auge gefasst.

Bei schweren Lähmungserscheinungen oder wenn Blase und Darm nicht mehr "funktionieren", wird allerdings oftmals sofort operiert.

Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenvorwölbung?

Sowohl beim Bandscheibenvorfall als auch bei der Bandscheibenvorwölbung handelt es sich um eine Verlagerung des gallertartigen Kerns der Bandscheibe (Nucleus pulposus) durch Risse in deren Faserring.

Beim Bandscheibenvorfall ist der Gallertkern durch den Faserring ausgetreten, bei der Bandscheibenvorwölbung hat der Gallertkern den Faserring nur "vorgewölbt". Eine Bandscheibenvorwölbung hat mit "konservativen" und alternativen Methoden immer eine sehr gute Prognose.

Voraussetzung für den Heilerfolg ist, dass die Ursachen (siehe unten) abgestellt werden.

siehe auch: Hexenschuss - Ischialgie - Rückenschmerzen

Was sind Bandscheiben überhaupt?

Unsere Wirbelsäule ist aus einzelnen Wirbelkörpern aufgebaut, zwischen denen jeweils eine elastische Bandscheibe als Puffer liegt. Muskeln und Bänder umgeben den Komplex aus Wirbeln und Bandscheiben und halten normalerweise alles sicher an Ort und Stelle. Die Bandscheiben sind aus einem knorpelhaltigen Material aufgebaut, ähnlich wie unsere Ohren. Die Bandscheiben sind sehr elastisch und halten enorme Kräfte aus. Im Verbund mit den sie umgebenden Strukturen können sie kurzzeitigen Druck bis zu 1500 Kilogramm aushalten. Trotzdem können sie auch beschädigt werden und sorgen dann für Probleme.

Symptome von Bandscheibenvorfällen und -vorwölbungen

Bandscheibenvorfälle und -vorwölbungen sorgen für starke Schmerzen im betroffenen Rückenbereich, teils mit Ausstrahlungen in die Beine oder Arme. Eingeklemmte Nerven, Lähmungs- oder Taubheitsgefühle, im Extremfall mit einer Stuhl- und/oder Harninkontinenz können dazukommen. Die Schmerzen treten allerdings nicht immer auf, sondern nur dann, wenn das Gehirn den Vorfall als bedrohlich für das Gewebe einschätzt oder wenn Nerven beeinträchtigt sind. Ist das nicht der Fall, bleiben Bandscheibenvorfälle auch oft symptomlos und treten höchstens als Zufallsbefunde auf.

Diagnose von Bandscheibenvorfällen und -vorwölbungen

Wer mit Rückenschmerzen zum Arzt geht, erwartet häufig bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT oder MRT. Diese starren Aufnahmen können jedoch die Probleme häufig gar nicht sichtbar machen, und zwar vor allem deswegen, weil sie Momentaufnahmen sind. Der Patient liegt während der Aufnahme ganz ruhig da und hält sogar die Luft an. Rückenschmerzen treten aber oft am stärksten während der Bewegung auf. Außerdem können sie sich auch innerhalb kurzer Zeit stark wandeln.

Dazu kommt, dass Bandscheibenvorfälle auch häufig symptomlos ablaufen, also gar nicht die Ursache für akute Rückenschmerzen sind. Das kann ein Arzt, der eine Auffälligkeit auf dem Bild entdeckt, aber natürlich nicht beurteilen. Insgesamt wird man beim Rücken fast jeden Patienten über 30 oder 35 Jahren Veränderungen feststellen, die ganz normale Alterserscheinungen sind und keine Probleme verursachen müssen.

Die bildgebenden Verfahren sind bei der Diagnose von Bandscheibenproblemen also oft nicht „der Weisheit letzter Schluss“. Wertvoller für den Arzt können die Beobachtungen des Patienten sein. Wo genau, in welchen Situationen und bei welchen Bewegungen treten die Schmerzen auf? Wie fühlen sie sich an? Werden sie durch Lageveränderung, Bewegung oder den Tagesverlauf schlimmer oder besser? Wie viel Stress haben Sie gerade? Wie sind Ihre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten? Diese und weitere Informationen sowie eine körperliche Untersuchung sind für die Diagnose von größter Bedeutung. Tappen Sie deshalb nicht in die Falle, die Methoden der Gerätemedizin einzufordern, weil Sie sich ansonsten „nicht ausreichend versorgt“ fühlen. Leider sind es immer wieder die Patienten, die die bildgebenden Verfahren fordern. Machen Sie sich lieber schon zu Hause Gedanken und Notizen zum Auftreten der Schmerzen. Die Informationen aus Ihrer Selbstbeobachtung geben oft ein viel genaueres Bild als jede CT- oder MRT-Aufnahme.

Sprache der Symptome

Wem der Chef im Nacken sitzt oder wer Angst vor beruflichen und privaten Herausforderungen hat, der ist eher ein potenzieller Rückenschmerz-Patient als jemand, der ein glückliches Familien- und/oder Berufsleben genießt.

Menschen, die ständig unter Stress oder Depressionen leiden, erkranken wesentlich häufiger als Menschen, die ein sehr "ausgeglichenes" Leben führen.

In der Sprache finden wir diesen Zusammenhang in Ausdrücken wie:
  • „Der hat sein Päckchen/sein Kreuz zu tragen.“
  • „Dafür braucht man Rückgrat.“
  • „den Rücken krummmachen“ (= sehr viel arbeiten)
  • etwas „sitzt im Nacken“ (= belastet sehr)
"Psychosomatisch" gesehen wird bei der Bandscheibenvorwölbung etwas Weiches von zwei harten Elementen, den darüber- und darunterliegenden Wirbelkörpern, gewissermaßen "in die Zange genommen" und somit gequetscht.

Eine Frage könnte also lauten: Wo sitze ich in der Klemme? Was bedrückt mich?

Wer in seinem Alltag mit den "Härten des Daseins" und der Weichheit seines persönlichen Empfindens elastisch umgehen kann, wird weitaus weniger unter Rückenbeschwerden zu leiden haben. Vor allem wenn man zur Erkenntniss gelangt, dass es keine Härten des Daseins gibt - aber das ist ein anderes Thema.

Mögliche Ursachen

Es werden in der Medizin zahlreiche Ursachen für Bandscheibenvorfälle bzw. -vorwölbungen angeführt. Aus naturheilkundlicher Betrachtung sind es aber: Übersäuerung, Fehlstatik, Bewegungsmangel, einseitige Bewegung (sitzen!) sowie die eben bereits angesprochenen „psychosomatischen Befindlichkeiten“.