Dass die Regierung von Präsident Barack Obama mit brutaler Härte gegen Whistleblower vorgeht, die Informationen an die Presse weiterreichen, ist gut belegt. So hat das US-Justizministerium Associated Press und Fox News bespitzelt, um hinter deren Quellen zu kommen. Inzwischen liegen die USA beim World Press Freedom Index nur noch auf Rang 49 und damit hinter einigen afrikanischen und südamerikanischen Nationen.

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In einem neuen Handbuch des Pentagons, dem Handbuch zum Kriegsrecht, heißt es, dass Journalisten künftig wie »nachrangige Kriegsteilnehmer« behandelt werden können. Diese Bezeichnung löst offenbar den Begriff »ungesetzlicher Kombattant« ab, der, wie sich mancher erinnern wird, die neue Umschreibung für »mutmaßlice Terroristen« war.

In einigen Medienberichten werden ranghohe Militärs mit der Aussage zitiert, man erkläre Journalisten damit keineswegs zum Feind.

Vielmehr wolle man sagen, dass auch Journalisten der tatsächliche Feind sein könnten, wenn sich Terroristen, Spione und Propagandisten als Pressevertreter ausgeben.

Das Committee to Protect Journalists (CPJ) dagegen zeigte sich besorgt. Das Handbuch sei so vage verfasst, dass das Militär freie Hand erhalte, Journalisten auch dann festzusetzen und zu schikanieren, wenn wenig dafür spreche, dass sie etwas anderes als objektive Berichterstattung betreiben.
»Diese allgemeine und schlecht ausdefinierte Kategorie gibt Kommandeuren aller amerikanischen Waffengattungen vermeintlich das Recht, Journalisten ohne Anklage zumindest unter Arrest zu nehmen, und das offenbar ohne die Notwendigkeit, irgendwelche Beweise vorzulegen oder einen Verdächtigen dem Gericht zuzuführen.

Das Verteidigungsministerium der Regierung Obama hat sich offenbar die schlecht definierten Praktiken genommen, die unter der Regierung Bush während des Kriegs gegen den Terror eingeleitet wurden, und sie in einen formellen Rahmen gegossen, der regelt, wie amerikanische Streitkräfte mit Journalisten umgehen sollen, die über Konflikte berichten.

Im Ausland könnten die Folgen des Handbuchs, vor allem auf kurze Sicht, sogar noch schlimmer sein. Die Sprachregelung, Journalisten wie »nachrangige Kriegsteilnehmer« zu behandeln, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Kriegsvölkerrecht ohnehin bereits von bewaffneten Gruppen von der Ukraine über den Irak und Nigeria bis zum Kongo missachtet wird, und zwar von staatlichen Gruppen, Milizen und Aufständischen. Gleichzeitig fällt der Vorgang in eine Phase, in der das CPJ Rekordzahlen verhafteter und getöteter Journalisten verzeichnet.

In einer Zeit, in der dringend internationale Führungsarbeit in Sachen Menschenrechte und Pressefreiheit benötigt wird, legt das Pentagon ein selbstsüchtiges Dokument vor, das leider dazu beiträgt, die Ansprüche zu senken.«
Und die Ansprüche sind offenbar ohnehin schon sehr gering:
»Das US-Militär ist bereits früher gegen Journalisten vorgegangen. Bilal Hussein machte 2004 eine Aufnahme von Aufständischen, die in Falludscha US-Soldaten unter Beschuss nahmen. Das Bild brachte den Fotografen von Associated Press, darunter Hussein selbst, einen Pulitzer-Preis ein. 2006 wurde Hussein von Marineinfanteristen verhaftet und zwei Jahre lang festgesetzt. Warum das US-Militärden AP-Fotografen inhaftierte, erklärte es nie, es legte auch keine Beweise vor. Hussein erhielt 2008 den International Press Freedom Award des CPJ.

Der Al-Dschasira-Kameramann Sami al-Haj wurde im Dezember 2001 von pakistanischen Truppen entlang der Grenze zu Afghanistan festgenommen. Al-Haj berichtete dort über eine von den USA angeführte Offensive gegen die Taliban in Afghanistan. Das US-Militär beschuldigte den sudanesischen Kameramann, ein Geldbote für bewaffnete Gruppen zu sein und al-Qaida und anderen Extremisten zu helfen. Beweise für diese Anschuldigungen wurden nie vorgelegt, wie das CPJ 2006 in seinem Bericht »Sami al-Haj - der Feind?« feststellte. Al-Haj leitet bei Al-Dschasira mittlerweile die Abteilung für Menschenrechte und Freiheitsrechte. Er wurde sechs Jahre lang auf dem amerikanischen Militärstützpunkt in Guantanamo Bay festgehalten. Al-Hajs Anwalt Clive Stafford Smith erklärte gegenüber dem CPJ und den Medien, bevor al-Haj freigelassen wurde, hätten Vertreter des US-Militärs noch versucht, ihn dazu zu zwingen, im Gegenzug für seine Freilassung Al-Dschasira auszuspionieren.«



Kommentar: Alles um Terroristen zu "bekämpfen" die die USA selbst in die Welt gesetzt hat, im "Krieg gegen für den Terror"


Auch die Kommentarabteilung der New York Times ließ kein gutes Haar an dem neuen Handbuch:
»Die im Handbuch aufgestellte Behauptung, einige Aspekte der Berichterstattung könnten als Beteiligung an feindseligen Akten interpretiert werden, ist lachhaft. Dieser sehr vage formulierte Standard könnte von Offizieren dazu missbraucht werden, Journalisten zu zensieren oder sie sogar ins Visier zu nehmen.

Genauso bizarr ist die in dem Dokument aufgestellte Behauptung, Kriegsberichterstatter sollten nur mit einer Erlaubnis der ›zuständigen Behörden‹ agieren dürfen, ansonsten würden sie riskieren, als Spione angesehen zu werden. Um über Kriege aus jüngerer Vergangenheit berichten zu können, etwa den Bürgerkrieg in Libyen 2011 und den Krieg in Syrien, mussten Reporter große persönliche Risiken eingehen und sich über Grenzen schleichen, um an Informationen zu gelangen.


Wenn das Pentagon Spionage und Journalismus in einen Topf wirft, geht das in dieselbe Richtung wie die Propaganda autoritärer Regierungen. So hat Ägypten beispielsweise versucht, die Arbeit westlicher Journalisten zu diskreditieren, indem man ihnen fälschlicherweise unterstellte, dass es sich bei vielen um Spione handele.

Noch beunruhigender ist die allgemeine Behauptung des Dokuments, die Arbeit der Journalisten müsse vermutlich zensiert werden, damit der Feind nicht an vertrauliche Informationen gelange. Diese unqualifizierte Äußerung scheint dem amerikanischen Verfassungsrecht und Fallrecht zuwiderzulaufen und bietet Ländern, die regelmäßig die Presse zensieren, einen willkommenen Bezugspunkt.«
Das Handbuch enthält die merkwürdige Aussage, dass es »nicht notwendigerweise« die Ansichten der »gesamten Regierung« widerspiegelt. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es allerdings nicht verwunderlich, wenn dem doch so wäre.