Die Bundesregierung sucht nach Wegen, den Mindestlohn für Flüchtlings zu umgehen. Die Wirtschaftsweisen schlagen nun vor, Flüchtlinge als Langzeitarbeitslose zu qualifizieren. Damit würde in der Praxis ein Prozess des Lohndumpings eingeleitet.

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© dpaAngela Merkel mit den Wirtschaftsweisen, November 2014.
Die verschiedenen Wirtschaftsberater der Bundesregierung sowie Lobbygruppen und Verbände haben in den vergangenen Wochen versucht, die Flüchtlinge als ausschließlich ökonomische Faktoren zu klassifizieren und nach Wegen gesucht, sie in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Nachdem als erster Hans-Werner Sinn vom Münchner ifo-Institut die Abschaffung des Mindestlohns für Flüchtlinge gefordert hatte und damit auf heftigen Widerstand bei Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gestoßen ist, gehen die „Wirtschaftsweisen“ - also die offiziellen Berater der Bundesregierung - nun etwas dezenter vor: Sie beklagen, dass der Mindestlohn eine „hohe Barriere“ zur Einstellung von Flüchtlingen sei, verzichten jedoch aus taktischen Gründen auf die Forderung nach Abschaffung des Mindestlohns.

Doch bieten die Experten der Bundesregierung eine Möglichkeit, wie der Mindestlohn umgangen werden kann: Sie schlagen vor, dass Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose eingestuft werden sollten. Für diese gilt heute, dass Unternehmen sechs Monate lang unter dem Mindestlohn bezahlen dürfen. Die Weisen empfehlen, den Unternehmen grundsätzlich zu erlauben, Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge für ein Jahr unter dem Mindestlohn zu beschäftigen.

Damit würde der Mindestlohn ausgehebelt, könnte aber formal bestehen bleiben. Diese Maßnahme hätte eine direkt lohndrückende Wirkung auch für deutsche Arbeitnehmer: Natürlich würde ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter bevorzugen, dem er für die gleiche Arbeit weniger Lohn zahlen muss. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn die Flüchtlinge gleich qualifiziert sind wie die deutschen Arbeitnehmer: Die Ausnahme für Langzeitarbeitslose erklärt sich ja nur, wenn man davon ausgeht, dass ein Langzeitarbeitsloser einen längeren Prozess der Wiedereingliederung durchlaufen muss. Ein Bauarbeiter oder Tischler aus Syrien dagegen wäre sofort voll integrierbar - weshalb es keinen sachlichen Grund gibt, ihn unter dem Mindestlohn zu bezahlen.

Zugleich würde sich mit dieser Regelung eine Verschlechterung für in Arbeit gekommene Langzeitarbeitslose ergeben. Dies müssten künftig 12 Monate unter dem Mindestlohn arbeiten statt bisher sechs.

Der Vorschlag zeigt, dass die Reduktion der Flüchtlinge auf ihre billige Arbeitskraft ein Teil der offiziellen Willkommenskultur ist. Dies ist schlecht für die Flüchtlinge, aber auch für die deutschen Arbeitnehmer.

Der Trend ist jedoch international kaum aufzuhalten: Das Freihandelsabkommen TTIP werde, so hat eine unabhängige Studie ergeben, vor allem den Billiglohnsektor in der EU vergrößern.


Die Wirtschaftsweisen empfehlen in ihrem Gutachten daher wohl nicht zufällig den raschen Abschluss von TTIP.