Gleich am ersten Prozesstag gab es ein Geständnis: Ein früherer Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes hat zugegeben, Informationen an die CIA verkauft zu haben. Er habe sich damit "beweisen" wollen.

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Frust, Langeweile, Unzufriedenheit und Unterforderung am Arbeitsplatz: Damit begründete der 32-jährige Angeklagte vor dem Oberlandesgericht München seine Spitzeltätigkeit. Er habe im BND den Eindruck gehabt, dass man ihm nichts zutraue. So seien ihm immer wieder Versprechungen gemacht worden, die nicht eingelöst worden seien.
"Bei der CIA war das halt anders. Da konnte man sich beweisen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das nicht gefallen hätte."

Angeklagter Markus R.
Zu den einzelnen Anklagepunkten nahm der frühere BND-Mitarbeiter noch keine Stellung. Detaillierte Angaben wollte er in den nächsten Prozesstagen machen.

Extreme Sicherheitsvorkehrungen

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Sicherheit wird groß geschrieben
Der Prozess begann unter noch nie angewendeten, strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Journalisten dürfen laut Verfügung des Staatsschutzsenates nur Papier und Bleistift in den Gerichtssaal bringen. Anfänglich wurden ihnen sogar verboten, Papiertaschentücher und Zeitungen mitzunehmen.

Umfangreiche Anklageschrift

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 32-jährigen Münchner vor, zwischen Januar 2008 und Juli 2014 „Mittelsmännern einer fremden Macht“ Staatsgeheimnisse verraten und dadurch „Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik“ herbeigeführt zu haben.

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Demnach sei er im Januar 2008 in Kontakt mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA gekommen und sich bald mit diesem einig gewesen, gegen „finanzielle Entlohnung“ Dokumente zu beschaffen. Laut Bundesanwaltschaft hatte er als Büroangestellter in der Verwaltung des Bundesnachrichtendienstes Zugang zu aus- und eingehender Post, bis hin zu als „streng geheim eingestuften“ Verschlusssachen.

Markus R. wird insbesondere beschuldigt, eine Liste mit Namen von BND-Mitarbeitern und deren Decknamen an die Amerikaner verkauft zu haben. Angeblich hat er die Übergabe von über 200 Dokumenten an die CIA bereits gestanden. Wenn sich dies bewahrheitet, könnte der Fall der größte deutsch-amerikanische Spionage-Skandal der Nachkriegszeit sein: Noch nie in der Geschichte des BND wurde ein Maulwurf eines befreundeten Geheimdienstes enttarnt.
"Dem Angeklagten wird Landesverrat in einem besonders schweren Fall vorgeworfen, außerdem Verrat von Dienstgeheimnissen und Bestechlichkeit."

Andrea Titz, Sprecherin des OLG München
Vermutlich hat er also Agenten enttarnt und das komplette Auftragsprofil des BND verraten. Sollte Markus R. verurteilt werden, droht ihm Gefängnis zwischen 5 Jahren und lebenslänglich.

95.000 Euro für gelieferte Datensätze

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Sitz des BND in Berlin
Unter anderem habe er Informationen zu Struktur und Arbeitsschwerpunkten, konzeptionellen, operativen Überlegungen und der Zusammenarbeit mit anderen Diensten geliefert. Ende 2010 habe Markus R. auch eine „abteilungsbezogene Personal- und Organisationsdatenbank“ an die CIA übermittelt, mit „umfangreichen Datensätzen sämtlicher aktueller und zahlreicher früherer Mitarbeiter“ der Abteilung „Einsatzgebiete Auslandsbeziehungen“.

Dafür habe Markus R., dessen Deckname „Uwe“ war, insgesamt 95.000 Euro als Agentenlohn erhalten - zunächst über tote Briefkästen, dann bei mehreren Geldübergaben in Salzburg und Wien von einem CIA-Mitarbeiter, der sich „Craig“ nannte.

Spionage auch für Russland geplant?

Darüber hinaus ist Markus R. angeklagt, im Mai 2014 an das russische Generalkonsulat in München herangetreten zu sein und dabei ebenfalls „Mittelmännern einer anderen fremden Macht“ Staatsgeheimnisse übermittelt zu haben. Diese Mail soll dem Vernehmen nach zur Enttarnung des Agenten geführt haben.

Persönliche Angaben des Angeklagten

Bis zur Mittagspause machte Markus R. umfangreiche Angaben zu seiner Person. Aufgrund eines Impfschadens im Alter von zwei ist er nach eigenen Angaben zu 70 Prozent als behindert eingestuft. Nach seinem Realschulabschluss im Jahr 2000 nahm er auf Vermittlung des Arbeitsamtes an einem Berufsfindungsjahr im Spastikerzentrum München teil.

Nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann, absolvierte er einen Fernlehrgang zum Programmierer, ehe er sich beim BND bewarb und dort Ende 2007 eine Stelle als Büroangestellter in der Personalabteilung bekam.

Gutachten der Verteidigung

Sein Karlsruher Anwalt Klaus Schroth versucht naturgemäß, das Beste für seinen Mandanten herauszuschlagen. Vor seiner Verlegung nach München hatte er ihn oft besucht. Auf seine Initiative hin wurde ein psychologisches Gutachten für Markus R. erstellt, erklärt der Verteidiger:
"Um einfach ihn besser kennenzulernen. Wenn ein Sachverständiger über einen Mandanten etwas sagt, dann ist der Sachverständige ein Beweismittel. Wenn ich als Verteidiger das vortrage, hat es vielleicht nicht diese durchschlagende Kraft. Man hielt es auch in diesem Verfahren für dringend notwendig, übrigens in Übereinstimmung mit der Bundesanwaltschaft."

Klaus Schroth, Anwalt von Markus R.
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Anwalt Schroth: Die Taktik ist klar
Außerdem ist für eine Strafzumessung natürlich immer das Motiv des Angeklagten wichtig. Im Gegensatz zu Fällen politischer Spionage wie etwa zu Zeiten des Kalten Krieges - damals verteidigte Schroth den DDR-Spion „Topas“ - vermutet Schroth bei seinem Mandanten eher recht menschliche Motive:

Tragweite nicht erkannt

Seine Strategie, um ein geringes Strafmaß für seinen Mandanten herauszuschlagen, ist schon vor dem Prozess erkennbar. Er will Motive und Fähigkeiten seines Mandanten herunter spielen:
Ich denke, dass in den Vernehmungen deutlich geworden ist, dass er die Tragweite seines Handelns so nicht erkannt hat. Dazu fehlen ihm, wie ich meine, auch die Fähigkeiten, das so einzuschätzen."

Klaus Schroth, Anwalt von Markus R.
Politisch sensibel

Politisch hatte schon die Verhaftung von Markus R. im Juli 2014 Wellen geschlagen, zumal zeitnah noch ein anderer Spion der Amerikaner im Verteidigungsministerium aufgeflogen war. Das Ganze sorgte im vergangen Jahr sogar für diplomatische Verstimmungen mit den USA. Gerüchten zufolge wurde versucht, Akten aus dem Verfahren gegen Markus R. sperren zu lassen. Erfolglos, denn die Bundesanwaltschaft widersetzte sich dem. Peinlich ist die ganze Geschichte für den BND allemal.