Übernächtigte Augenzeugen sind deutlich unzuverlässiger
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Nur ausgeschlafen verlässlich: Wenn es um Zeugen eines Unfalls oder eines Verbrechens geht, zählt jedes Detail. Doch wenn wir unausgeschlafen sind, hapert es damit besonders, wie ein Experiment jetzt belegt. Bei Schlafmangel lagen die Probanden bei ihren Erinnerungen besonders oft falsch. Angesichts unserer zunehmend schlaflosen Gesellschaft sei das bedenklich, so die Forscher im Fachmagazin Psychological Science.

Dass man bei Schlafmangel nicht gerade in geistiger Topform ist, ist nichts Neues. Das Lernen fällt dann schwerer und auch die Konzentration lässt nach. Was das aber für die Erinnerung an Ereignisse oder Personen bedeutet, war bisher weit weniger klar. "Ich war überrascht, wie wenige Studien es gibt, die Schlafmangel mit Gedächtnis-Verzerrungen bei Augenzeugen in Verbindung brachten", sagt Erstautor Steven Frenda von der University of California in Irvine.

Schlaflos im Labor

Für ihr Experiment luden die Forscher 104 College-Studenten spätabends ins Labor ein. Der Hälfte der Probanden zeigten sie eine Serie von Fotos, die ein Verbrechen zeigte, beispielsweise einen Taschendiebstahl. Anschließend durfte ein Teil von ihnen ins Bett gehen, der andere musste die Nacht über wach bleiben. Die andere Hälfte der Probanden absolvierte das gleiche in umgekehrter Reihenfolge: Ein Teil blieb wach, einer schlief, aber alle bekamen die Fotos erst am Morgen danach zu sehen.

Am nächsten Tag folgte der zweite Teil des Tests: Jetzt erhielten alle Teilnehmer Texte, die das zuvor auf den Fotos gesehene beschrieben - allerdings mit falschen Details. So steckte der Taschendieb die gestohlene Brieftasche beispielsweise in die Hosentasche statt in die Jacke oder hatte eine andere Haarfarbe. Danach absolvierten alle Probanden einen Gedächtnistest: Sie sollten nun den Tathergang genau beschreiben und in Fragebögen die jeweils korrekten Details ankreuzen.

Gedächtnis narrt unausgeschlafene Augenzeugen

Das Ergebnis: Die Probanden, die Fotos und Texte nach der durchwachten Nacht gesehen hatten, lagen in ihren Erinnerungen deutlich häufiger falsch als ihre ausgeschlafenen Kollegen. Hatten sie dagegen das Foto vor der schlaflosen Nacht gesehen, war ihre Erinnerung daran sehr viel besser. Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass es sehr wohl eine große Rolle spielt, ob ein Zeuge zum Zeitpunkt seiner Beobachtung ausgeschlafen war oder nicht.

Der verfälschende Effekt des Schlafmangels könnte auch erklären, warum Zeugenaussagen oft so stark voneinander abweichen: War ein Teil der Zeugen unausgeschlafen, narrt sie ihr Gedächtnis häufiger und verfälschte ihre Erinnerungen. "Unsere Ergebnisse haben daher wichtige Konsequenzen auch für die Kriminalistik und Strafverfolgung - auch weil heute immer mehr Menschen chronisch übernächtigt sind", konstatieren die Forscher. Augenzeugen, die zuvor zu wenig Schlaf hatten, sind tendenziell weniger zuverlässig - das müsse von der Polizei berücksichtigt werden. In weiteren Experimenten wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, ab wann genau sich die Schlaflosigkeit in Form von verfälschten Erinnerungen bemerkbar machen kann.

(Psychological Science, 2014; doi: 10.1177/0956797614534694) (Association for Psychological Science , 24.07.2014 - NPO)