Vulkane sind bedeutende Spieler im Klimageschehen. 1991 senkte ein Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen die globale Mitteltemperatur um 0,4 Grad. Allerdings entgeht der Großteil ihrer Tätigkeit dem Blick der Wissenschaftler, weil nur die wenigsten Eruptionen von Menschen bemerkt werden. Eine internationale Arbeitsgruppe hat jetzt in Eisbohrkernen von beiden Polen 283 Vulkanausbrüche während der vergangenen 2500 Jahre identifiziert und mit europäischen Baumringarchiven synchronisiert. Die Ergebnisse stehen in "Nature Climate Change".
Justinianische Pest
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Und es begab sich in diesem Jahr, dass sich das beunruhigendste Vorzeichen ereignete. Die Sonne verströmte während des gesamten Jahres ihr Licht ohne Helligkeit, ebenso der Mond. Es erschien mehr und mehr, als herrsche eine Sonnenfinsternis. Und von dieser Zeit an waren die Menschen weder frei von Krieg noch von Pestilenz. Das war in Justinians zehntem Regierungsjahr.
Der spätantike Historiker Prokop notierte in seinen Historien für das Jahr 536 nach Christus eine Klimaveränderung und brachte sie in Zusammenhang mit den Plagen, die das Oströmische Reich in von 536 bis ins Jahr 550 quälten. Prokop, ein nicht ganz einflussloser Beamter am Hofe Justinians, machte in einer anderen Schrift, der sogenannten Geheimgeschichte, den oströmischen Kaiser selbst und dessen Gemahlin Theodora für diese Heimsuchungen verantwortlich. Die Schmähung verdunkelte bei der Historikerzunft seinen Ruf als zuverlässige Quelle dauerhaft und war überdies völlig haltlos. Neue naturwissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Missernten Folge zweier Vulkanausbrüche waren, die 536 und 540 relativ kurz nacheinander passierten und das Klima rings um die Erde in eine drastische Abkühlung schickten.

Forscher bergen einen Eisbohrkern.
© DRIForscher bergen einen Eisbohrkern.
Eine internationale Arbeitsgruppe um Michael Sigl vom Desert Research Institute in Reno, Nevada, berichtete in "Nature Climate Change", dass zwischen 536 und 550 die kälteste Dekade im gesamten ersten nachchristlichen Jahrtausend nach Christus lag. Die Forscher legten die bislang genaueste Synchronisierung von Eisbohrkern-Archiven und Baumringinformationen über die vergangenen 2500 Jahre vor. "Für die Zeit bis zum Jahr 500 gab es bisher überhaupt keine derartige Rekonstruktion", betont Erstautor Michael Sigl, der inzwischen am Schweizer Paul-Scherrer-Institut in Villigen im Aargau arbeitet.

Schichtung eines Eisbohrkerns.
© DRISchichtung eines Eisbohrkerns.
Die Arbeitsgruppe stützt ihre Arbeiten auf umfangreiche Baumringarchive und auf 20 Eisbohrkerne aus Grönland und der Antarktis. Mit minutiöser Rekalibrierung konnten die Forscher beide Archive synchronisieren. In den Bohrkernen fanden sie Spuren von insgesamt 283 Eruptionen. 81 davon waren in den tropischen Breiten, schlugen sich daher in den Bohrkernen beider Pole nieder und hatten offenbar die stärksten Auswirkungen auf das Klima. Die klimawirksamen Bestandteile vulkanischer Eruptionswolken sind die Schwefelaerosole, die die Sonneneinstrahlung immens wirksam abschirmen. In den Tropen können sie durch die Windsysteme besonders effizient über die Erde verteilt und auch in besonders große Höhe emporgetragen werden. So entfalten sie die stärkste und am längsten andauernde Wirkung. Die Studie ergab, dass in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends 15 der 16 kältesten Sommer in Europa auf eine starke Vulkaneruption folgten.

Die Kiefern aus den White Mountains in Kalifornien sind bis zu 5000 Jahre alt.
© DRI/Michael SiglDie Kiefern aus den White Mountains in Kalifornien sind bis zu 5000 Jahre alt.
Im Fall der Ereignisse, über die Prokop berichtete, war es sogar ein eruptiver "Doppelschlag", wie es der Yale-Forscher Francis Ludlow formulierte. Die Sonnenverdüsterung des Jahres 536 war offenbar auf einen starken Ausbruch auf der Nordhemisphäre zurückzuführen. Sigl und seine Kollegen vermuten, dass der Schuldige ein Vulkan im Westen Nordamerikas war. Die Eruption senkte die Durchschnittsemperaturen auf der Nordhalbkugel um rund 1,5 Grad. Doch sie hätte sich wohl nur ein paar Jahre lang ausgewirkt. Allerdings brach dann 540 ein ebenfalls großer Vulkan in tropischen Breiten aus, der die Abkühlung auf mehr als ein Jahrzehnt verlängerte.

Der oströmische Kaiser Justinian auf einem Mosaik der Kirche San Vitale in Ravenna.
© WikimediaDer oströmische Kaiser Justinian auf einem Mosaik der Kirche San Vitale in Ravenna.
Historiker gehen davon aus, dass die Klimaänderung und ihre Folgen für die Landwirtschaft des Oströmischen Reiches zu den wichtigsten Faktoren gehörten, die die Justinianische Pest zu einem der verheerendsten Seuchenzüge der Spätantike machten. 541 und 542 breitete sich die Pest vom ägyptischen Hafen Pelusion nach Alexandria, Palästina und den Rest des Reiches aus. Schon im Oktober 541 hatte sie Konstantinopel erreicht. Am Ende des Jahres 542 war wohl ein Viertel der Reichsbevölkerung gestorben.