Die Fortpflanzung mit Neandertalern bescherte dem modernen Menschen Genvariationen zur Abwehr von Infektionen
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Leipzig - Die Neandertaler haben zwei aktuellen Studien zufolge das Immunsystem unserer Vorfahren gestärkt: Als moderne Menschen vor vielen Tausend Jahren in Europa auf Neandertaler trafen und sich mit ihnen fortpflanzten, erbten einige Nachkommen Genvariationen, deren Träger Infektionen besser abwehren konnten. Auf diese Weise wurde aber eventuell auch die Neigung zu Allergien erhöht. Das berichten Forscher des Instituts Pasteur in Paris und des Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig in zwei voneinander unabhängige Arbeiten im American Journal of Human Genetics.

"Die Vermischung mit alten Menschenarten wie dem Neandertaler und dem Denisova-Menschen hatte Auswirkungen auf die genetische Diversität einiger angeborener Immungene der Familie der Toll-Like Rezeptoren", sagt Janet Kelso vom MPI. Die Rezeptoren - TLR 1, TLR6 und TLR10 - wirken an der Immunabwehr mit. Diese TLR-Gene können Bestandteile von Bakterien, Pilzen und Parasiten aufspüren und bekämpfen. Welche Rolle dies konkret für unsere heutige Gesundheit spielt, sei noch nicht geklärt, so die Experten.

Gestörte Immunreaktionen

"Wir gehen davon aus, dass es mal eine Phase gegeben hat, wo es von Vorteil war, diese Neandertal-Varianten zu besitzen", sagte Max-Planck-Forscher Michael Dannemann. Menschen könnten dadurch bessere Abwehrmechanismen gegen Krankheitserreger gehabt haben. Umgekehrt könne sich aber auch die Neigung zu Allergien erhöht haben, denn eine zu hohe Aktivität dieser Gene könnte laut Dannemann auch zu gestörten Immunreaktionen auf an sich harmlose Umwelteinflüsse führen.

Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass ein Anteil von einem bis sechs Prozent im Genom von heute in Europa und Asien lebenden Menschen vom Neandertaler oder dem Denisova-Menschen stammt. In bestimmten Regionen des Genoms sei diese Frequenz deutlich erhöht, wie eben bei den TLR-Abwehrgenen. "Das spiegelt sich heute noch im Menschen wider. Ob es heute noch von Vorteil oder Nachteil oder komplett neutral ist, können wir aber nicht sagen", erklärte Dannemann.

1000-Genom-Projekt

Für ihre Forschungen analysierten die Wissenschafter Daten des 1000-Genom-Projekts, bei dem das Erbgut von 2.500 Individuen aus Europa, Asien, Afrika und Amerika komplett entziffert wurde. Die Ergebnisse zeigten, "wie wichtig der artübergreifende Austausch von Genen für die Evolution des angeborenen Immunsystems beim Menschen gewesen sein könnte", sagte Lluis Quintana-Murci vom Institut Pasteur.

Die Frage, inwieweit die Neandertaler die Entwicklung des modernen Menschen beeinflusst haben, beschäftigt Forscher weltweit. So fanden etwa US-Forscher heraus, dass Gene von Neandertalern den Vorfahren moderner Menschen wahrscheinlich dabei geholfen haben, sich an die kühlere Umgebung außerhalb Afrikas anzupassen. Neandertaler-Erbgut ist demnach in heutigen Europäern und Ostasiaten insbesondere an Stellen vorhanden, an denen Wachstum und Ausgestaltung von Haut und Haaren geregelt werden. Auch der Fettstoffwechsel moderner Menschen könnte von Neandertaler-Genen beeinflusst worden sein.

(APA, red)

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