Pulsar
© P. C. Marco, MPPMit seinem enorm starken Magnetfeld (weiße Linien) rotiert der Krebspulsar dreißig Mal pro Sekunde um die eigene Achse. Dabei werden energiereiche Elektronen freigesetzt. Grün bzw. blau unterlegt sind die Regionen, die für die Beschleunigung der Teilchen auf extrem hohe Energien in Frage kommen. Der grün markierte Bereich liegt in der Nähe des Magnetfelds, der blaue könnte bis zu 100.000 km vom Pulsar entfernt sein
Der Pulsar im Krebsnebel ist der Überrest einer Super­nova-Explosion aus dem Jahr 1054. Der Neutronen­stern hat einen Durch­messer von etwa zehn Kilo­metern und rotiert etwa dreißig Mal pro Sekunde um die eigene Achse. Wie ein Leucht­turm sendet er dabei Strahlungs­pulse aus, die sich über das gesamte elektro­magne­tische Spektrum erstecken - von langen Radio­wellen über sicht­bares Licht bis hin zu kurz­welligen, energie­reichen Gamma­strahlen. Mit Hilfe des MAGIC-Tele­skops hat ein Forscher­team nun Photonen vom Krebs­pulsar nachge­wiesen, deren Energie um ein Viel­faches höher liegt als bisher beobachtet.

Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die höchste Energie am Krebs­pulsar bei 6 GeV liegt. Im Jahr 2008 registrierte das MAGIC-Teleskop dann Photonen mit einer Energie von über 25 GeV. Und 2012 über­trumpfte das Observa­torium sein eigenes Ergebnis mit Messungen von 400 GeV. Jetzt hat MAGIC sogar Gamma­strahlen bis zu 1,5 TeV gemessen. Aller­dings können die Forscher noch nicht erklären, wie die geladenen Teilchen, die diese Strahlung erzeugen, auf derart hohe Energien beschleunigt werden.

Bei der Erzeugung energiereicher Teilchen spielt das für Neutronen­sterne enorm starke Magnet­feld eine zentrale Rolle, das seiner­seits extrem starke elek­trische Felder erzeugt“, sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher des MAGIC-Kolla­boration und Projekt­leiter am MPI für Physik. „In der magnetisch geladenen, komplexen Atmo­sphäre des Neutronen­sterns werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, bevor sie zerstrahlen.“ In diesem Modell lässt sich Gamma­strahlung bis zu wenigen Giga­elektronen­volt als Synchrotron- und Krümmungs­strahlung erklären. Für die jetzt beobach­teten Gamma­pulse von über 1,5 TeV muss es aber einen anderen Mecha­nismus geben.

„Wir können extrem energiereiche Gammastrahlen nur dann beobachten, wenn es diesen Elektronen irgendwie gelingt, der komplexen Topologie des Magnet­feldes am Neutronen­stern zu entkommen und sich im elek­trischen Feld zu beschleunigen“, erläutert Mirzoyan. Für diese Flucht der Gamma­strahlen kommt ein indirekter Weg in Frage: Dabei werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten Generation. Diese entstehen am äußersten Rand des Magnet­feldes in etwa 1500 Kilometern Höhe.

Hier treten energiereiche geladene Teilchen mit UV- und Röntgen­strahlen sowie dem Magnet­feld in Wechsel­wirkung. Anschließend über­tragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrig­energetische Photonen und machen sie damit zu energie­reichen Gamma­quanten - die das Magnet­feld verlassen. Mittels dieses inversen Compton-Effekts könnten sich Gamma­photonen auch im Pulsar­wind, weit vom Pulsar entfernt, bilden - wo die beschleunigte Teilchen ebenfalls auf Röntgen­strahlen treffen können. Allerdings kommt die extreme Gamma­strahlung exakt zur gleichen Zeit am MAGIC-Teleskop an, wie energie­ärmere Radio­wellen oder Röntgen­strahlen - von denen man weiß, dass sie im Inneren des Magnet­felds entstehen. Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen Region am Rand des Magnet­feldes produziert wird oder die energie­reiche Gamma­strahlung eine Art Erinnerung an Strahlung niedrigerer Energie behält. „Zum heutigen Zeit­punkt kann man annehmen, dass der inverse Compton-Mechanismus die Existenz derart energie­reicher Gamma­strahlen am Pulsar erklären kann“, so Mirzoyan. „Lang­fristig brauchen wir aber neue, detaillierte theoretische Modelle, die das Phänomen beschreiben.“

MPP / RK