Kommt nun abermals eine Kleine Eiszeit oder kommt sie nicht? Darüber wird unter Klimaforschern wieder heftig diskutiert. Denn gleich drei neue Studien zeigen, dass sich unsere Sonne wahrscheinlich auf ein Aktivitätsminimum zu bewegt. Auch an dieser Stelle wurde das Thema schon mehrfach behandelt.

Während der so genannten Kleinen Eiszeit erreichte die magnetische Aktivität unseres Tagesgestirns zeitweilig einen Tiefpunkt. Diese anhaltende Kaltphase dauerte von Anfang des 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein. In dieser Periode war das Tagesgestirn nur wenig aktiv, was sich an der geringen Zahl der Sonnenflecken ablesen ließ. Zwei besonders eisige Abschnitte waren das Maunder-Minimum, das von 1645 bis 1715 anhielt, sowie das Dalton-Minimum von 1790 bis 1830. In einer Phase des Maunder-Minimums, die 30 Jahre währte, erschienen auf der Sonne nur 50 Flecken, normal wären jedoch mehrere tausend gewesen. Zwischen 1672 und 1704 wurde sogar kein einziger Fleck beobachtet. Insgesamt zählten die damaligen Beobachter 3579 fleckenlose Tage in Folge. Nach Ansicht einiger Astrophysiker übersprang unser Tagesgestirn damals mindestens einen Zyklus.

Die passive Sonne war vermutlich die Ursache jener Witterungsunbilden, unter denen die Menschen in jener Zeit litten. So lag Europa in den Wintern regelmäßig unter einer Kälteglocke. In Holland froren die Grachten zu, in England die Themse, sodass die Anwohner auf dem Fluss öfter Frostjahrmärkte feierten. Sogar die Ostsee war mindestens zweimal vollständig von Eis bedeckt. Die Sommer blieben kühl und feucht, der Weizen verfaulte auf den Halmen. Sinkende Ernten und Hungersnöte waren die Folge. Mehrmals drangen in den Alpen die Gletscher vor und zerstörten Dörfer und Gehöfte. Wohl nicht zufällig begann zu jener Zeit die Hexenverfolgung, denn es wurden Sündenböcke für die Misere gesucht.

Die Sonne schwächelt

Jetzt fürchten einige Forscher, dass solche Klimaverhältnisse erneut Einzug halten können. Denn schon wieder lässt die Sonne Zeichen von Schwäche erkennen. Im Frühjahr 2007 hatte der letzte der elfjährigen Zyklen, in denen ihre Aktivität schwankt, sein Minimum erreicht. Damit sank auch die Zahl der Sonnenflecken auf einen Tiefpunkt. Nun hätte ein neuer Zyklus starten müssen, verbunden mit der Rückkehr der dunklen Flecken. Es wäre der 24. Zyklus seit Beginn der systematischen Sonnenbeobachtung Mitte des 18. Jahrhunderts. Doch auf unserem Zentralgestirn blieb es ruhig, kaum ein Sonnenfleck tauchte auf. Im Jahr 2009 waren 260 Tage fleckenlos, 2008 sogar 266 Tage. Es war damit das fleckenärmste Jahr seit 1913, und seit 1849 gab es nur drei noch fleckenärmere Jahre.

Wegen der ruhigen Sonne erwarten die Solarphysiker ein spätes und schwaches Maximum für den Zyklus 24 und ein noch schwächeres für den folgenden Zyklus 25. Tatsächlich prognostizierten Nasa-Forscher für das Maximum des aktuellen Zyklus, das sie für Juni 2013 erwarten, eine sehr niedrige Sonnenflecken-Relativzahl von 64. Beim voran gegangenen Zyklus 23 betrug die Relativzahl noch 139, und beim Zyklus 19, dem stärksten im 20. Jahrhundert mit dem Maximum in Oktober 1957, erreichte sie 254. Im Frühjahr 2011 korrigierten die Nasa-Experten ihre Prognose dann nach unten. Nun sagten sie eine Relativzahl von nur noch 59 vorher. Damit würde die Aktivität der Sonne fast auf das Niveau der „Kleinen Eiszeit“ herabsinken.

Vorgänge im Inneren des Zentralsterns

Bei einer Konferenz der American Astronomical Society (AAS) in Las Cruces (US-Bundesstaat New Mexico) Mitte Juni stellten Sonnenphysiker nun drei unterschiedliche Studien vor, die diese Sicht bestätigen. „Das ist höchst ungewöhnlich und unerwartet“, urteilt Frank Hill vom National Solar Observatory (NSO) der USA, Hauptautor einer der Studien. „Doch der Fakt, dass drei ganz verschiedene Ansichten der Sonne in die gleiche Richtung weisen, zeigt nachdrücklich, dass der Fleckenzyklus in den Winterschlaf gehen könnte. Dann könnte dies das letzte solare Maximum sein, das wir für ein paar Jahrzehnte sehen. Das würde alles beeinflussen, von der Raumfahrt bis zum Erdklima.“

Torsionsschwingungen bringen Zyklen

Die Arbeitsgruppe von Hill hatte Daten analysiert, die von den Forschern der „Global Oscillation Network Group“ (GONG) geliefert wurden. Sie hatten mit Hilfe des Forschungssatelliten Soho die Pulsationen an der Sonnenoberfläche gemessen. Dieses als Helioseismologie bezeichnete Verfahren liefert - ähnlich wie die Messung von Erdbebenwellen auf der Erde - Aufschluss über die Strukturen und Vorgänge im Inneren unseres Zentralsterns. Das Augenmerk von Hill galt einem riesigen Strömungssystem elektrisch geladener heißer Gase (Physiker sprechen von einem Plasma), das rund 7000 Kilometer unter der Sonnenoberfläche liegt. Die Plasmaströme fließen rund fünf Meter pro Sekunde schneller als das umliegende Material und mäandern - ausgehend von mittleren Breiten - zwischen dem Nord- und Südpol und dem Äquator der Sonne.

Entdeckt wurde diese so genannte Torsionsschwingung der Sonne bereits 1980. Einen Zyklus vollendet sie in 22 Jahren - was genau der Dauer eines kompletten Aktivitätszyklus entspricht (zwar ist immer vom 11jährigen Solarzyklus die Rede, doch physikalisch gesehen dauert es 22 Jahre, bis sich das Magnetfeld der Sonne einmal komplett um- und wieder zurückgepolt hat. Jeder Zyklus verläuft also mit einer eigenen Polarität, deren Umkehr den Beginn einer neuen Periode markiert). Vor einigen Jahren entdeckten Sonnenforscher, dass die Flecken eines neuen Zyklus genau dann entstehen, wenn der Plasmafluss beim 22. solaren Breitengrad angekommen ist. Die Ursache dafür ist allerdings unklar.

Die Torsionsschwingung hängt also unzweifelhaft mit der solaren Aktivität zusammen. Weil die Sonnenphysiker den Strom in der Tiefe dank der Helioseismologie aber fortwährend verfolgen, fallen ihnen auch Veränderungen auf. Daraus wiederum können sie Prognosen für den jeweils nächsten Aktivitätszyklus ableiten. Bereits beim Zyklus 24 floss der Plasmastrom langsamer als normal, deshalb begann dieser auch verspätet. „Wir hätten mittlerweile Hinweise auf den Beginn von Zyklus 25 erwartet“, erläuterte Hill dann bei der Konferenz in Las Cruces. „Aber wir sehen kein Anzeichen dafür.“ Das deute darauf hin, dass Zyklus 25 möglicherweise erst im Jahr 2021 oder 2022 beginne - oder sogar komplett ausfalle. Setze sich der Trend fort, könnte die Magnetfeldstärke im nächsten Zyklus nicht mehr ausreichen, um sichtbare Sonnenflecken zu erzeugen.

Klimatologie Sonnenflecken entlarven Aktivität

In einer zweiten Studie prognostizieren auch Matt Penn und William Livingston, die ebenfalls am National Solar Observatory forschen, einen langfristigen Trend zu einer Abschwächung der Sonnenflecken. Beide hatten Fleckendaten aus mehr als 13 Jahren analysiert. Sonnenflecken entstehen, wenn Bündel von Magnetfeldlinien aus dem Inneren der Sonne empor steigen. Diese behindern die Bewegung von Konvektionszellen, die heißes Plasma aus dem Sonneninnern an die Oberfläche transportieren. Als Folge davon sinkt Temperatur in den Flecken von 5500 auf rund 3000 Grad Celsius, deshalb erscheinen sie dunkel.

Penn und Livingston maßen nun, wie sich Kenndaten der Flecken wie Feldstärke und Helligkeit mit der Zeit ändern. Im Normalfall beträgt die Feldstärke zwischen 1500 und 3500 Gauss. Doch von 2001 bis 2011 sank sie bei 1750 beobachteten Flecken um durchschnittlich 500 Gauss, dafür nahm die Helligkeit im Licht einer bestimmten Wellenlänge im dunklen Fleckenzentrum um 20 Prozent zu. „Wir verstehen den physikalischen Mechanismus hinter diesen Veränderungen sowie den Effekt, den sie auf die Erdumwelt haben, nicht“, bekennen die Forscher. Möglicherweise aber würden die Magnetfelder bis zum nächsten Sonnenzyklus unter die Schwelle von 1500 Gauss fallen und deshalb so schwach sein, dass sie die aufsteigenden Konvektionszellen nicht mehr beeinflussen können. Dann dürften nur wenige oder gar keine Sonnenflecken entstehen.

Vorgänge in der Korona

Für die dritte Studie zog der Physiker Richard Altrock vom Sonnenkorona-Forschungsprogramm der US-Luftwaffe Beobachtungsdaten aus gleich 40 Jahren heran. Dabei stellte er fest, dass magnetische Störungszonen, die am Höhepunkt eines Solarzyklus besonders häufig in der Sonnenkorona auftreten, immer langsamer in Richtung der Pole wandern. Die Korona ist die dünne „Atmosphäre“ der Sonne, deren schwaches Leuchten man mit bloßem Auge nur bei einer totalen Sonnenfinsternis sieht. „Bei diesen wundervollen, filigranen Formen handelt es sich in Wirklichkeit um robuste magnetische Strukturen, die tief im Inneren des Sterns wurzeln“, resümiert Altrock. „Vorgänge in der Korona deuten auf Veränderungen tief im Inneren der Sonne hin.“ Gegenüber den Zyklen 21 bis 23 seien die Störstellen des Zyklus 24 nur vereinzelt und mit Verzögerung aufgetreten, hauptsächlich auf der Nordhalbkugel der Sonne. „Wir werden vermutlich 2013 ein schwaches solares Maximum sehen - wenn überhaupt“, so Altrock. „Wenn die Wanderung der Störzonen zu den Polen komplett ausfällt, ist das für die Theoretiker ein Dilemma. Niemand weiß, was die Sonne in diesem Fall tut.“

Klimatologie Beeinflusst die Sonne das Klima, oder nicht?

Dem widersprechen viele Forscher. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau etwa argumentieren, die Schwankungen der Sonneneinstrahlung seien zu schwach, um das Klima signifikant zu beeinflussen. So stieg die Strahlungsintensität im 20. Jahrhundert um nur etwa 0,1 Prozent. Dies genüge nicht, um die globale Erwärmung zu erklären. Die Strahlungswirkung der vom Menschen emittierten Treibhausgase sei inzwischen um ein Mehrfaches stärker. Die MPS-Experten verglichen den Verlauf von Sonnenaktivität und Erdtemperatur für die vergangenen 150 Jahre. Wie sich zeigte, verliefen beide Kurven in den ersten 120 Jahren im Einklang. Dann aber entkoppelten sie sich: Während die Erdtemperatur rasant anstieg, erhöhte sich die Sonnenleuchtkraft kaum. Würde der Solarzyklus das Klima tatsächlich dominieren, hätte sich die Erde jedoch auch in den letzten 30 Jahren im Takt mit der Sonne wieder abkühlen müssen.

Erderwärmung vs. Sonnenminimum

Auch die Klimatologen Georg Feulner und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erwarten keine neue Kleine Eiszeit. In einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie zeigten sie, dass ein neues großes Minimum der Sonnenaktivität maximal zu einer Abkühlung von 0,3 Grad Celsius im Jahr 2100 führen könnte - relativ zu einer erwarteten Erwärmung aufgrund des Klimawandels von rund 4 Grad. „Ein erneutes 70-Jahre-Sonnenminimum würde wahrscheinlich nur ein Zehntelgrad, höchstens aber 0,3 Grad Abkühlung bringen - eine Winzigkeit neben der vom Menschen verursachten Erwärmung“, kommentiert Feulner die Ergebnisse der neuen Studien seiner US-Kollegen im Blog „Klimalounge“. „Sie wird nach derzeitigen Berechnungen zwischen zwei und vier Grad bis zum Jahr 2100 betragen, und das im globalen Durchschnitt. In manchen Regionen wie etwa der Arktis werden die Temperaturen wohl noch deutlich stärker steigen.“

Angesichts der neu einsetzenden Debatte über eine potenziell verheerende Kaltzeit, die der Menschheit bevorstehen könnte, sah sich auch Studienautor Hill zu einer Klarstellung genötigt. „Wir haben keine neue Kleine Eiszeit prognostiziert“, erklärte der gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir haben vorhergesagt, dass etwas mit der Sonne geschieht.“