Die drei in Deutschland festgenommenen Terroristen gehören zu einer usbekischen Islamistengruppe. Warum hat diese Deutschland im Visier? Erklärungsversuche

Viel ist es nicht, was bisher über die Motive der drei im Sauerland verhafteten mutmaßlichen Terroristen bekannt wurde. Nur eines ist sicher: Ihr Hass auf Amerika. Zumindest hatten sie darüber geredet, US-Militärbasen, Flughäfen, Bars, Diskotheken und andere von Amerikanern frequentierte Orte in die Luft zu jagen.

Die drei sollen Mitglieder der Islamischen Dschihad Union (Islomiy jihod ittihodi) sein, einem Ableger der Islamic Movements Uzbekistans (IMU). Diese hat sich nun auch offiziell zu den Anschlagsplänen bekannt. Aber wer steckt hinter dieser Gruppe? Was sind ihre Absichten? Und warum haben sich die Terroristen ausgerechnet Deutschland als Ziel ihrer Attentate ausgesucht?

Zum ersten Mal fiel der Name der Gruppe im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen in Taschkent vor drei Jahren. Im Frühjahr 2004 hatte sich die Dschihad Union zu einer Serie von Selbstmordanschlägen in der usbekischen Hauptstadt und in Bukhara bekannt, bei der 47 Menschen getötet wurden. Ziel der Angriffe waren Regierungsgebäude und ein belebter Markt. Obwohl die Islamische Dschihad Union einen Bekennerbrief veröffentlichte, hatten verschiedene Beobachter erhebliche Zweifel daran, dass sie tatsächlich existierte. So behauptete beispielsweise der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, dass die Operationen der Gruppe von der usbekischen Regierung selbst kontrolliert würden.

Das hinderte die Terroristen nicht daran, unter diesem Namen weiter zu töten. So sollen sie auch für Anschläge auf die US-Botschaft, die Israelische Botschaft und den usbekischen Chefankläger verantwortlich sein, die sämtlich am 30. Juli 2004 verübt wurden und bei denen zwei Menschen starben und mehrere verletzt wurden. Eine Philosophie oder Begründung für ihre Taten hat die Gruppe niemals publik gemacht. Regierungsfreundliche Beobachter sagen, die Dschihad Union wolle die usbekische Regierung stürzen und einen islamischen Staat errichten. Aufgrund der ausgeklügelten Planung und der Art und Ziele der Anschläge spekulieren einige Sicherheitsexperten, dass es eine enge Zusammenarbeit mit dem Terrornetzwerk al-Qaida gibt.

Jahrelang hat die usbekische Regierung angebliche extremistische Bedrohungen und Terrorismus als Rechtfertigung benutzt, um religiöse Aktivisten zu verfolgen und sich vor der Welt als Partner im "Krieg gegen den Terror" zu präsentieren. Als solcher wird sie inzwischen auch akzeptiert. Sowohl Moskau als auch der Westen unterstützen das autoritäre Regime. Die Verbündeten des usbekischen Despoten Islom Karimow sehen in ihm das einzige Bollwerk gegen Extremismus in der Region und in seiner Regierung die Alternative zu einem extremistischen Regime in Taliban-Manier.

Tatsächlich aber gab es in den vergangenen Jahren in Zentralasien keine großen Terroranschläge. Lediglich hier und da traten Gruppen auf, die zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anwendeten. Dennoch waren in Taschkent bereits im Juni diesen Jahres Gerüchte im Umlauf, dass die mysteriöse Islamische Dschihad Union wiederaufgetaucht sei, um ihren bewaffneten Kampf gegen das Regime Karimow wieder aufzunehmen. Menschenrechtsaktivisten und politische Analysten bezweifeln den Wahrheitsgehalt dieser Nachricht und bezichtigen die Regierung, jene Gerüchte gezielt zu streuen.

Ebenso sehen das ausländische Beobachter, darunter Ex-Botschafter Murray. Er bezweifelt bis heute, dass das Bekennerschreiben der Dschihad Union von 2004 mehr als ein Schwindel war. Vielmehr vermuten sie, dass in Wahrheit der usbekische Geheimdienst hinter den Anschlägen stecke, um den Kampf des Landes gegen den sogenannten Terrorismus zu rechtfertigen.

Regimekritiker haben diesen Kampf ohnehin in erster Linie als Kampf gegen politische Dissidenten entlarvt. Nach den Anschlägen wurden Hunderte Menschen verhaftet - zum großen Teil jene, mit wenig Geld und einem westlichen Lebensstil. Unter Folter gestand ein Großteil von ihnen die Mitgliedschaft in der Islamischen Dschihad Union. Die USA, zu diesem Zeitpunkt noch ein Verbündeter der Usbeken, glaubte die Regierungsversion und ließ die Gruppe 2005 auf die UN-Terrorliste setzen.

Es gibt mehr Fragen als Antworten zur Islamischen Dschihad Union. Wenig weiß man auch über den Status ihrer Mutterorganisation, der bekanntesten zentralasiatischen Dschihad-Gruppe Islamic Movement of Uzbekistan. Nach dem Tod ihres Militärchefs, Dschuma Namangani, im Zuge des US-Krieges gegen die Taliban im Nachbarland Afghanistan, haben sich die verbliebenen Anhänger, darunter auch der politische Kopf der Organisation, Tohir Yuldoschew, in das pakistanische Grenzgebiet in Südwasiristan zurückgezogen. Spätestens dort verliert sich ihre Spur. Die International Crisis Group berichtet, es gebe Hinweise auf tiefe Spaltungen innerhalb der Gruppe. Einige sollen der Gewalt abgeschworen und sich nach Iran abgesetzt haben. Eine andere Fraktion, vermutlich angeführt von Yuldoschew, soll sich in dem Islamic Movement of Turkistan (IMT) neu gruppiert haben.

Im April dieses Jahres berichteten pakistanische Medien, dass sich Truppen und heimische Stammesführer Kämpfe mit extrem gut bewaffneten und gut ausgebildeten usbekischen Extremisten in Wasiristan geliefert haben. Einen Beweis dafür gibt es bis heute nicht. Auch durften bisher keine Journalisten in die angebliche Kampfzone reisen. Das hat vor allem zu der Annahme geführt, die pakistanische Regierung habe maßlos übertrieben, um Anschuldigungen zu entkräften, die dem Regime vorwarfen, nicht entschieden genug gegen Extremismus im Land, insbesondere in den Stammesregionen, vorzugehen.

Bleibt immer noch die Frage, warum die Terroristen gerade in Deutschland ihre Anschlagsziele suchten. Die lässt sich beantworten, wenn man der Annahme glaubt, dass sie die Motivation haben, ihre heimische Regierung zu schwächen, bestenfalls zu stürzen. In der Bundesrepublik lebt die größte Gemeinschaft usbekischer Dissidenten im Westen. Bereits vor drei Jahren, im Mai 2004, hatten usbekische Geheimdienste darauf hingewiesen, dass es eine erhöhte Gefahr terroristischer Anschläge durch die Islamische Dschihad Union auf US-Einrichtungen in der Bundesrepublik gebe. In usbekischen Zeitungen wurde in den vergangenen zwei Jahren immer wieder sporadisch immer über dieses Thema berichtet.

Deutschland ist zudem Usbekistans Hauptverbündeter im Westen, die Bundesrepublik hat einen Luftwaffenstützpunkt dort und soll auch eng mit den usbekischen Geheimdiensten kooperieren. Insbesondere während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft versuchte Berlin vermehrt, sich für das Ende der Sanktionen gegen Taschkent einzusetzen. Diese waren nach dem Massaker an mehr als 700 Demonstranten durch Regierungstruppen in Andidschan im Mai 2005 verhängt worden. Die Aufhebung der Sanktionen würde die Regierung weiter stärken - und genau das wollen die Islamisten verhindern.

Und es gibt noch ein Detail, das Deutschland ins Visier der Terroristen gerückt haben dürfte: Gazprom. Hat das Erdgasförderunternehmen doch enge Beziehungen nach Deutschland. Und plant ein acht Milliarden-Dollar Projekt, dass eine baltische Ölpipeline bauen will, um russisches und usbekisches Gas nach Deutschland zu liefern.