Das menschliche Gehirn reagiert in Leicht- und Tiefschlafphasen, in der Fachsprache Non-REM-Schlaf genannt, von Sekunde zu Sekunde völlig unterschiedlich auf Außenreize. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie belgischer und österreichischer Wissenschafter, die nun in der Wissenschaftszeitschrift „PNAS“ veröffentlicht wurde. In dem Versuch wurden Schlafenden Töne vorgespielt und gleichzeitig mit Elektroenzephalogramm (EEG) und Kernspintomographen (MRT) die Gehirnaktivitäten gemessen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Schlafphasen: den REM-Schlaf, benannt nach den raschen Augenbewegungen in diesem Stadium, in dem primär geträumt wird, und den Non-REM-Schlaf, bei dem sich wiederum Leicht- und Tiefschlafphasen abwechseln. Bereits vor einigen Jahren hat Manuel Schabus vom Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg gemeinsam mit Kollegen vom Cyclotron Research Center in Lüttich herausgefunden, dass das Gehirn im Leichtschlaf wesentlich aktiver ist als gedacht.

Dennoch ging man bisher davon aus, dass das Gehirn in der Non-REM-Phase nicht auf äußere Reize reagiert. Das Problem dabei war allerdings, dass die alten Untersuchungsmethoden nur eingeschränkt sensibel waren. „Durch die Verwendung spezieller Elektroden und EEG-Verstärkern konnten wir nun im Sekundentakt gleichzeitig EEG ableiten und die Durchblutung von Hirnregionen im MRT beobachten“, so Schabus im Gespräch mit der APA.

Und dabei zeigte sich, dass die Reaktion des Gehirns auf Außenreize davon abhängt, was gerade im Schlaf spontan passiert. Eine zentrale Rolle dabei spielen sogenannte Schlaf-Spindeln. Das sind Mikroereignisse, die periodisch im Schlaf vorkommen und rund eine Sekunde lang andauern“, so Schabus. Wenn eine solche Schlafspindel - benannt nach dem spindelförmigen Muster im EEG - auftritt, ist das Gehirn völlig für Außeninformationen blockiert, im Versuch löste ein zufällig zu dieser Zeit auftretender Ton daher keine Gehirnaktivität aus. Ertönt das Signal dagegen nur Sekundenbruchteile früher, zeigt sich eine ähnliche Gehirnantwort wie im Wachzustand.

„Die Reaktion des Gehirns ist wirklich von Sekunde zu Sekunde unterschiedlich und es hängt davon ab, ob das Spindelmuster gerade vorherrscht oder nicht“, so der Wissenschafter. Das bedeute aber auch, dass unsere Wahrnehmung der Umwelt vom Gehirn vorgegeben wird. Während der Schlaf-Spindeln ist das Gehirn völlig blockiert für Außeninformation. Man geht davon aus, dass es in dieser Zeit quasi mit sich selber beschäftigt ist und neue Informationen abspeichert oder ins Gedächtnis integriert.

Tiroler Tageszeitung, Onlineausgabe vom Di, 06.09.2011 09:57