Eine Umfrage der IG Metall zeigt eine deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen. Der Leistungsdruck in den Firmen habe stark zugenommen - mit dramatischen Folgen.
stress,burn out
© PA/DPA

Der IG Metall zufolge droht beruflicher Stress zu einer der „größten gesundheitlichen Gefahren des 21. Jahrhunderts“ zu werden. Die Gewerkschaft hat in einer Blitzumfrage unter Betriebsräten abgefragt, ob psychische Erkrankungen im Unternehmen zugenommen hätten - 86 Prozent konnten eine solche Zunahme feststellen, 40 Prozent schätzten diese als „stark“ oder „sehr stark“ ein.

„In den Metallbetrieben und anderen Unternehmen unseres Organisationsbereichs ist eine dramatische Zunahme psychischer Erkrankungen und von Burn-out festzustellen“, sagte Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall. „Hier tickt nichts Geringeres als eine gesellschaftliche Zeitbombe“. Urban forderte angesichts der Entwicklung vom Gesetzgeber eine „Anti-Stress-Verordnung“.

Die Ergebnisse der Umfrage, an der 3878 Betriebsräte teilgenommen haben, unterstreiche eine Entwicklung, die auch die gesetzlichen Krankenkassen bereits verzeichnet hätten, sagte Urban. Danach habe es allein bei Burnout zwischen 2004 und 2010 einen Anstieg um das Zehnfache gegeben. Die bessere Diagnosefähigkeit von Ärzten könne die explosive Zunahme nicht allein erklären, sagte der Gewerkschafter.

Urban sieht die Erklärung in den Arbeitsbedingungen: „Wir sehen eine Ursache für die zunehmende Gefährdung der psychischen Gesundheit der Beschäftigten im Anstieg von arbeitsbedingtem Stress und des Leistungsdrucks in den Unternehmen“. Besonders seit dem Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008 hätten Stress und Leistungsdruck noch einmal zugenommen, sagte Urban. Mehr als zwei Drittel der Betriebräte hätten dies in der Umfrage bestätigt. Nachdem die Konjunktur wieder angesprungen sei, zahlten „die Menschen in den Betrieben immer häufiger den Preis für ausgelastete Kapazitäten und volle Auftragsbücher“, so Urban.
statistik,burn out
© Infografik Welt OnlineErgebnisse der IG-Metall-Umfrage

Auch unsichere Arbeitsverhältnisse wie Zeitarbeit und befristete Beschäftigung verstärkten das Risiko, dass Arbeitnehmer an einem Burnout litten, sagte Urban. Zwischen sieben und acht Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie arbeiten derzeit mit einem Zeitarbeitsvertrag.

Kaum Präventionsangebote in den Firmen

Gleichzeitig gebe es kaum eine Reaktion auf die Zunahme von arbeitsbedingtem Stress auf Seiten der Unternehmen, beklagte Urban. Es gebe eine „eklatante Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung des Problems und den tatsächlichen Hilfs- und Präventionsangeboten in den Betrieben“. 69 Prozent der Betriebsräte sind laut der Umfrage der Auffassung, dass es in ihrem Betrieb keine Hilfen gibt und 26 Prozent bemängeln zu wenige Hilfen.

Insgesamt 73 Prozent der Betriebsräte sind der Meinung, dass in ihrem Unternehmen viel mehr für den Gesundheitsschutz getan werden müsse. „Die Gesundheit darf nicht hinter betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen und Wettbewerbsfähigkeit zurückstehen“, forderte Urban.

Kosten für die Sozialkassen bei 27 Mrd. Euro

Das IG-Metall-Vorstandsmitglied verwies auch auf die Kosten für Sozialkassen und Wirtschaft: laut dem Statistischen Bundesamt verursachten psychische Erkrankungen Behandlungskosten von rund 27 Mrd. Euro jährlich. Experten des BKK-Bundesverbandes bezifferten die Kosten für den dadurch verursachten Produktionsausfall auf weitere 26 Mrd. Euro. Keine gesetzliche Regelung thematisiere jedoch die Burn-out-Gefahr am Arbeitsplatz: Bei allen klassischen Gesundheitsgefährdungen wie Gefahrstoffen oder Lärm gebe es konkrete Präventionsregeln, so Urban. Bei arbeitsbedingtem Stress jedoch nicht.

In der von Hans-Jürgen Urban geforderten „Anti-Stress-Verordnung“ soll es eine Verpflichtung geben, jeden Arbeitsplatz auf sein Gefährdungspotenzial für ein Burnout zu analysieren. Einerseits gebe es dafür Anhaltspunkte aus der Wissenschaft, wie flexible und überlange Arbeitszeiten, die Beziehung zum Vorgesetzten oder Überforderung genauso wie Unterforderung. Zusätzlich müsse mit den Beschäftigten gesprochen werden. Konkrete Maßnahmen könnten laut Urban in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden.