Wahrheit oder Mythos: Bedrohen Asteroiden und Kometen wirklich die Erde? Die Stimmen aus der Wissenschaft sind geteilt. Nun glaubt ein Forscher, dem Geheimnis auf der Spur zu sein.

Aus dem All droht Ungemach: Asteroiden oder Kometen bedrohen den Planeten immer häufiger. Oder ist „Nemesis“, der zerstörungswillige Begleitstern der Sonne, nur ein Mythos? So hat es im Laufe der Erdgeschichte immer wieder kosmische Katastrophen gegeben. Gigantische Einschläge werden mit mehreren Episoden massenhaften Aussterbens in Verbindung gebracht. Das wohl bekannteste Beispiel ist das Aussterben der Dinosaurier vor mehr als 65 Millionen Jahren. Fast 200 Krater auf der Erdoberfläche, einige davon Hunderte von Kilometern im Durchmesser, zeugen von kosmischen Zusammenstößen.

Mehrere Studien behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit für ein solches Bombardement im Laufe der Jahrmillionen periodisch zu- und abnimmt. Hier hält Coryn Bailer-Jones, Forscher am Max-Planck-Institut für Astronomie dagegen: Dieser Effekt sei nicht real, sondern beruhe auf statistischen Artefakten. Er behauptet: Die Wahrscheinlichkeit eines größeren Einschlages sei entweder gleich geblieben oder hat während der vergangenen 250 Millionen Jahre leicht zugenommen. „Die Frage, ob sich die Einschlagwahrscheinlichkeit auf der Erde mit der Zeit verändert, ist nicht nur von theoretischem Interesse“, sagt Wissenschaftler Coryn Bailer-Jones. „Diese Information benötigen wir, um die Gefahr abschätzen zu können, die der Erde derzeit von katastrophalen kosmischen Einschlägen droht.“

Forscher haben mehrere Einschlagstheorien

Seit Mitte der 80er Jahre haben eine Reihe von Autoren behauptet, periodische Variationen der Einschlagwahrscheinlichkeit gefunden zu haben, sagt der Forscher. Einer der Mechanismen, die für solch periodische Variationen vorgeschlagen wurden, sei die Bewegung des Sonnensystems relativ zur Scheibenebene der Heimatgalaxie, der Milchstraße. Bei dieser Bewegung verändert sich der Schwereeinfluss, den die umliegenden Sterne auf die Objekte in der „Oortschen Wolke“ ausüben. Das ist eine gigantische Ansammlung riesiger Brocken aus Eis und Staub, die das Sonnensystem im Abstand von rund einem Lichtjahr umhüllt. Durch diese Veränderungen verlassen einmal mehr, dann wieder weniger Objekte die „Oortsche Wolke“ und machen sich als Kometen auf den Weg in das innere Sonnensystem.

Spektakulärer, so Bailer-Jones weiter, sei die Annahme, die Sonne besäße einen bisher noch nicht direkt nachgewiesenen Begleitstern: „Nemesis“, benannt nach der griechischen Rachegöttin. Er läuft auf einer lang gestreckten Umlaufbahn. Das führt ihn mit der Zeit immer wieder in die Nähe der „Oortschen Wolke“, was wiederum die Anzahl der Kometen beeinflussen würde, die Kurs auf die Erde nehmen.

Statistik-Problem statt kosmischem Phänomen

Für Coryn Bailer-Jones vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie weisen diese Ergebnisse nicht auf bisher unentdeckte kosmische Phänomene hin, sondern auf subtile Probleme bei der Anwendung herkömmlicher Statistik. „Die Menschen neigen dazu, Muster zu sehen, die gar nicht existieren“, sagt der Wissenschaftler. „Und in manchen Situationen kann traditionelle Statistik den Anwender leider in dieselbe falsche Richtung führen.“

Bailer-Jones wählte daher eine andere Methode, die Wahrscheinlichkeiten der Einschläge zu berechnen: die sogenannte Bayessche Statistik. Mit dieser Methode ließen sich laut dem Forscher bei der Analyse der Kraterdaten die Probleme der traditionellen Statistik vermeiden. Das Ergebnis: Seine Untersuchung könne einfache periodische Variationen anhand der verfügbaren Daten mit großer Sicherheit ausschließen.

Einschlagwahrscheinlichkeit weiter ungeklärt

Stattdessen zeigen die Daten eine allgemeine Tendenz: Von vor rund 250 Millionen Jahren bis zur Jetztzeit habe die Einschlagwahrscheinlichkeit stetig zugenommen. Dafür gebe es zwei mögliche Erklärungen:

Erstens könne es sich schlicht um einen Auswahleffekt handeln. Kleinere Krater erodieren schneller und sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr auffindbar. Und ältere Krater haben generell mehr Zeit zu erodieren und sich wieder mit Material zu füllen als jüngere. Mit anderen Worten: Die nachgewiesene Tendenz kann schlicht darauf beruhen, dass man größere, jüngere Krater einfacher nachweisen können als kleinere, ältere. „Wenn wir nur Krater betrachten, die größer als 35 Kilometer und jünger als 400 Millionen Jahre sind und bei denen die Erosion daher eine geringere Rolle spielt, finden wir keine solche Tendenz“, sagt Coryn Bailer-Jones.

Andererseits könnte zumindest ein Teil des Anstiegs real sein. So gebe es Untersuchungen an Einschlagkratern auf dem Mond, die einen ähnlichen Trend zeigen. Dort spielen die auf der Erde vorherrschenden Erosionsmechanismen keine Rolle.

ki/ddpdirect