In Haiti sind seit dem Ausbruch der Cholera mehr als 450.000 Menschen erkrankt, mindestens 6000 starben. Es werde Jahre dauern, die Epidemie einzudämmen, befürchten Experten. Dennoch sollen Hilfskräfte abgezogen werden.
Cholera-Kranker
© APBehandlungszentrum in Mirebalais, Haiti: Ein Cholera-Kranker erhält eine Infusion

Port-au-Prince - Bis zum Jahr 2010 galt Haiti als Cholera-freie Zone. Dann kam das Erdbeben vom 12. Januar 2010. Etwa 220.000 Haitianer starben. Kurz darauf folgten die ersten Berichte über Cholera-Kranke im Krisengebiet. Uno-Blauhelmsoldaten aus Nepal sollen das potentiell tödliche Bakterium eingeschleppt haben. Die Folgen waren verheerend: Laut Angaben internationaler Gesundheitsexperten ist die Epidemie zur derzeit schlimmsten weltweit angewachsen.

Mehr als 450.000 Menschen seien im Land erkrankt und mehr als 6000 bereits an der Cholera gestorben, sagte der Mediziner und Uno-Sonderbotschafter Paul Farmer der Nachrichtenagentur AP. Damit sind über vier Prozent der zehn Millionen Haitianer von der Krankheit betroffen.

"Es ist unglaublich: In 365 Tagen ist die Zahl der Fälle von null auf die höchste in der ganzen Welt gestiegen", sagte Farmer. Angesichts der aktuellen Situation sei davon auszugehen, dass es mindestens drei Jahre dauern werde, bis der Ausbruch wieder eingedämmt sei.

Zum Vergleich: In Bangladesch werden jedes Jahr 100.000 bis 300.000 Cholera-Fälle verzeichnet - bei einer Einwohnerzahl von 158 Millionen. In der demokratischen Republik Kongo sind es 13.000 bis 30.0000 bei knapp 72 Millionen Menschen.

Grund für die rasante Ausbreitung der Krankheit in Haiti ist laut Farmer der unzureichende Zugang der Bevölkerung zu sauberem Trinkwasser. Das Cholera-Bakterium wird über kontaminiertes Wasser und befallene Lebensmittel verbreitet. Viele Kranke sterben an Dehydration.

Port-au-Prince noch immer ein Trümmerfeld

Der neue haitianische Premierminister Garry Conille versprach in seiner Antrittsrede am 18. Oktober in Port-au-Prince, seine Regierung werde das Land "wiederbeleben". Er forderte seine Landsleute auf, Vertrauen in die Zukunft zu haben. Doch die zu bewältigenden Aufgaben sind immens: In Haiti war die medizinische Versorgung von jeher mangelhaft, nach dem Erdbeben jedoch hat sich die Situation verschärft. Noch immer sind große Teile der Hauptstadt Port-au-Prince ein Trümmerfeld. Etwa 700.000 Menschen leben noch immer in Notunterkünften.

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" beobachte derzeit "gefährliche und unvorhersehbare Schwankungen bei der Zahl der Cholera-Fälle", hieß es am Dienstag.

Die Situation wird noch verschlimmert durch den geplanten Abzug von Hilfskräften. Dies bedeutet, dass es noch weniger Experten geben wird, die Entwässerungsanlagen betreiben und warten können. Von den benötigten 12.000 provisorischen Toiletten war zuletzt gerade mal ein Drittel in Betrieb. Das Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen und die nationale Umweltbehörde mussten die Reinigung der Latrinen im August aussetzen, weil Mittel fehlten.
Uno-Sonderbotschafter Paul Farmer betonte die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen: "Um die Cholera auszurotten, müssen wir eine große Zahl von Menschen impfen. Das erfordert eine groß angelegte Kampagne wie gegen Polio."

Das Gesundheitsministerium der benachbarten Dominikanischen Republik beobachtet die Entwicklung in Haiti mit Sorge. Man müsse dringend handeln, um eine erneute Einschleppung zu vermeiden, hieß es. Krankheitsfälle sollten besser erfasst und registriert, die Bevölkerung detailliert aufgeklärt werden. Auch wurde die Grenzpolizei zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen.

ala/AP