Der Intelligenzquotient ist keine unveränderliche Größe: Bei Jugendlichen kann er innerhalb weniger Jahre deutlich steigen oder sinken. Eine neue Studie zeigt, dass die Schwankungen mit sichtbaren Veränderungen im Gehirn einhergehen.
Schülerin rechnet an der Tafel
© CorbisRechnende Jugendliche: IQ ist keineswegs für immer festgelegt.

Hamburg - Wer mit zwölf Jahren beim IQ-Test versagt, kann mit 16 trotzdem ein Überflieger sein - denn der Intelligenzquotient vieler Jugendlicher verändert sich deutlich. Das berichten britische Forscher nach einer Studie mit 33 Probanden, deren IQ sie im Abstand von drei bis vier Jahren ermittelten.

Die Wissenschaftler um Sue Ramsden vom University College London stellten zudem fest, dass Veränderungen in zwei Hirnregionen mit Schwankungen im IQ-Wert einhergingen. Die Jugendlichen hatten sich nicht nur einem Intelligenztest unterzogen, ihr Gehirn wurde auch mittels Magnetresonanztomografie (MRT) untersucht.

Der IQ-Test prüfte zwei Formen von Intelligenz - die verbale sowie die praktische. Für den sogenannten verbalen IQ werden Sprache, Allgemeinwissen und Gedächtnis getestet. Der praktische IQ gibt an, wie gut jemand zum Beispiel Puzzles lösen kann oder fehlende Elemente in Bildern entdeckt. Beide zusammen ergeben den Gesamt-IQ.

Der Gesamt-IQ lag beim ersten Test der Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren zwischen 77 und 135, wie die Forscher im Fachmagazin Nature berichten. Beim späteren zweiten Test, bei dem die Probanden zwischen 14 und 20 Jahre alt waren, schnitten sie mit 87 bis 143 Punkten ab. Die Tests waren dem Alter der Teilnehmer angepasst; 100 Punkte gelten beim IQ-Test als Durchschnittswert.

Hirnregionen veränderten sich

Bei vielen Jugendlichen schwankten die Werte zwischen beiden Tests: Bei jedem Fünften veränderte sich der verbale IQ deutlich, bei fast 40 Prozent der praktische IQ und damit bei jedem Dritten der Gesamt-IQ. Im Extremfall sank ein Wert um bis zu 20 Punkte oder stieg um 23.

Die MRT-Untersuchung zeigte, dass ein höherer verbaler IQ mit Veränderungen einherginge - in einer Hirnregion im linken Motorkortex, die beim Sprechen aktiviert wird. Dort nahm die sogenannte graue Substanz an Masse oder Dichte zu. Ein höherer praktischer IQ war mit einer Veränderung der grauen Hirnsubstanz im vorderen Kleinhirn verknüpft. Diese Hirnregion wird mit Bewegungen der Hand in Verbindung gebracht.

Weitere Studien müssten zeigen, ob solche Veränderungen typisch für die Teenagerjahre sind oder während des gesamten Lebens auftreten, schreiben die Forscher in "Nature". Dass sich auch das Gehirn Erwachsener verändert, wenn diese Neues lernen, ist allerdings schon bekannt. Unter anderem zeigte es sich in Experimenten, bei denen Testteilnehmer jonglieren lernten. Daraufhin bildete sich sowohl graue als auch weiße Substanz in bestimmten Hirnbereichen.

Zudem schlagen die Forscher vor, als nächstes zu erforschen, was die beobachteten Veränderungen bei den jungen Probanden ausgelöst hat - und wie diese die schulische und spätere berufliche Laufbahn der Jugendlichen beeinflussen.

"Wir haben die Tendenz, Kinder relativ früh im Leben zu beurteilen und ihren Ausbildungsweg festzulegen", sagt die an der Studie beteiligte Forscherin Cathy Price. Die Ergebnisse würden aber zeigen, dass sich die Intelligenz von Kindern noch entwickeln, ihr IQ sich signifikant verbessern könne. Im Prinzip sei das nicht anders als bei körperlicher Fitness, meint die Wissenschaftlerin. "Ein fitter 14-Jähriger kann mit 18 Jahren weniger sportlich sein, wenn er aufgehört hat zu trainieren. Gleichzeitig kann ein unsportlicher Teenager deutlich fitter werden, wenn er trainiert."

Mit Material von dpa