Eine Milliarde Menschen leidet an Hunger. Jeden Tag. Doch die Weltbevölkerung wächst und wächst. Wird es uns gelingen, endlich vernünftig zu konsumieren, um wenigstens die kommenden Jahrzehnte zu überstehen? Und wie viele Menschen kann die Erde auf Dauer ernähren?

Als der Geograph Chris Reij von der Universität Amsterdam 2004 nach zehn Jahren wieder in den Niger reiste, traute er seinen Augen nicht: Wo sich früher wüstenähnliches Land ausgebreitet hatte, wuchsen nun massenhaft Bäume - und das im Sahel, einer Region, die in Europa mit Dürre und Hunger in Verbindung gebracht wird, aber nicht mit Aufforstung.
Afrikanisches Kind bei Feldarbeit
© ReutersMehr Menschen brauchen mehr Nahrung. Aber wo soll die herkommen?

Die Einheimischen erzählten Reij eine verblüffende Geschichte: Ein australischer Entwicklungshelfer hatte ihnen in den achtziger Jahren einen Handel angeboten: Er gab ihnen Lebensmittel, dafür aber sollten sie Bäume pflanzen.

Den Erfolg dieses Projekts konnte Reij mit Satellitenfotos belegen: Allein in Niger sind auf diese Weise fünf Millionen Hektar Land wieder begrünt worden, eine Fläche von der Größe Niedersachsens. Besonders drastisch war der Unterschied in jenen Regionen mit der höchsten Bevölkerungsdichte.

Denn dort leben die Bauern, unter denen sich der Nutzen von Bäumen schnell herumgesprochen hat: Sie verbessern die Fruchtbarkeit des Bodens, sie spenden Schatten für den Getreideanbau, liefern Tierfutter und obendrein Brennholz, das Frauen zuvor kilometerweit herbeischleppen mussten. Sogar das lokale Klima wird durch die Vegetation positiv beeinflusst.

"Das ist die billigste Art, die Landwirtschaft zu intensivieren und zugleich nachhaltig auszurichten", sagt Reij, der nun international für die Wiederbegrünung nach dem Vorbild der Sahelzone wirbt. Für viele Menschen südlich der Sahara geht es ums Überleben: Auf 1000 Einwohner kommen in Niger jedes Jahr 48 Neugeborene - das ist die weltweit höchste Geburtenrate.

Mit den Agrowäldern, hofft Reij, lassen sich die Ernten drastisch steigern. Das sei zwar keine Patentlösung, bringe aber einen Zeitgewinn, bis das Problem des Bevölkerungswachstums gelöst sei: Denn mit einer Verdoppelung der weltweiten Einwohnerzahl alle zwanzig Jahre hält irgendwann selbst die effektivste Landwirtschaft nicht mehr mit.

Wie viele Menschen kann die Erde ernähren?

Doch wie viele Menschen kann die Erde auf Dauer ernähren? Von den sieben Milliarden Menschen leiden schon heute eine Milliarde an Hunger. Was wird für die zehn Milliarden im Jahr 2100 zum Essen bleiben? Werden sie Krieg um das letzte fruchtbare Land führen? Oder ist das Szenario einer globalen Hungerkatastrophe nur Schwarzmalerei?


Die Zahlen klingen erschreckend: Nach einer Studie der Welternährungsorganisation FAO muss die Agrarproduktion bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 2005 um 70 Prozent gesteigert werden, wenn neun Milliarden Menschen ernährt werden sollen.

Der Projektion liegt unter anderem die Annahme zugrunde, dass die Bevölkerung in den Städten wächst. Mit steigendem Einkommen konsumieren die Menschen aber mehr Fleisch, ein Trend, der nun auch in China zu beobachten ist. Auf das Jahr 2050 hochgerechnet bedeutet dies: Weltweit müssten 461 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt werden, um die Nachfrage zu decken; 2005 waren es 249 Millionen Tonnen.

Doch schon jetzt sind viele Äcker ausgelaugt. Jahrzehntelange Übernutzung hat vielerorts zu Bodenerosion und sinkenden Erträgen geführt. Die Landwirtschaft leidet zudem unter dem Klimawandel, den sie selbst mitverursacht. Knapp ein Drittel der weltweiten Treibhausgase stammt aus dem Agrarsektor - der damit noch vor der Energieerzeugung oder dem Verkehr liegt.


Kommentar: CO2 ist nicht verantwortlich für den Klimawandel:

Die CO2-Theorie ist nur geniale Propaganda

Die Landwirtschaft an sich ist nichts weiter als ein Raubbau an den Ressourcen dieser Welt. Lesen Sie hierzu The Vegetarian Myth von Lierre Keith.


Die Rinderhaltung gilt als Hauptursache für den Raubbau an den Tropenwäldern. Sogar die weltweiten Vorräte an Phosphat, dem Grundstoff vieler Düngemittel, neigen sich anscheinend dem Ende zu: Von der Bundesregierung wird Phosphor als "Mangelressource" eingestuft.

Und dieses System der Landwirtschaft soll die Erträge um weitere 70 Prozent steigern? Das ist nicht nur unmöglich - es ist vielleicht auch gar nicht nötig. Das behaupten zumindest diejenigen Agrarexperten, die mit einem gewissen Optimismus in die Zukunft blicken. Dazu gehört Hans Herren, der Ko-Präsident des Weltagrarberichts, den 58 Staaten unterzeichnet haben. 500 Forscher entwickelten darin die Vision einer Landwirtschaft, die Ressourcen schont und trotzdem produktiv ist. Herren hält die Prognosen der FAO für unsinnig. Er ist überzeugt: "Schon heute könnte man 14 Milliarden Menschen ernähren. Doch unsere Landwirtschaft produziert Futter- statt Nahrungsmittel."

Tatsächlich wird derzeit mehr als die Hälfte der weltweiten Getreideernte zu Kraftstoffen verarbeitet oder an Tiere verfüttert. Ohne eine Änderung der Konsumgewohnheiten werde sich auch die Produktion nicht ändern, sagt Herren. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Menschheit am Ende des Jahrhunderts nicht verhungern will, dann muss sie zu Fuß gehen, Fahrrad fahren und sich vegetarisch ernähren.

30 Millionen Hektar Ackerland könnten eingespart werden, wenn die 34 Mitgliedsstaaten der OECD ihren Fleischkonsum um 30 Prozent verringern. Das behaupten Forscher der Uni Hohenheim. Sie haben die FAO-Studie einer kritischen Prüfung unterzogen und schlagen Alternativen zur Ausweitung der Produktion vor:

So geht in den Entwicklungsländern ein Teil der Ernte verloren, weil er entweder nicht abtransportiert oder falsch gelagert wird. In Großbritannien hingegen werfen die Konsumenten jedes Jahr 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Hier gibt es noch gewaltige Reserven zur Steigerung der Effizienz. Politik und Wissenschaft wenden sich langsam solch scheinbar banalen Problemen zu, nachdem sie jahrelang ihre Hoffnungen auf grüne Gentechnik gesetzt hatten.

Doch bei der Lösung der Ernährungsprobleme wird die Gentechnik aller Voraussicht nach nur eine Nebenrolle spielen - ganz im Gegensatz zu den Kleinbauern. Denn von den weltweit 585 Millionen Höfen sind 85 Prozent weniger als zwei Hektar groß. Kleinbauern leiden besonders häufig unter Hunger und Armut. Sie sind es aber auch, die mit einfachsten Mitteln ihre Erträge steigern und geschädigte Ökosysteme stabilisieren können, wie Reijs Beispiel aus Niger zeigt.

Er selbst hat 2009 die Initiative "Regreening Africa" ins Leben gerufen. Sie verbreitet die Idee der Agrowälder inzwischen in mehreren Ländern - mit Erfolg. In Indien, berichtet Reijs, sollen nun mehr als eine Milliarde Bäume gepflanzt werden, deren Wurzeln Stickstoff anreichern und so Chemiedünger überflüssig machen.

Vor zehn Jahren hätte damit niemand gerechnet. Womöglich muss der Weltuntergang doch verschoben werden.