Potsdam - Es ist eine Volkskrankheit und Mediziner schlagen seit Jahren Alarm: Dennoch verbreitet sich Diabetes mellitus Typ 2 rasant. Der Welt-Diabetes-Tag am 14. November macht darauf aufmerksam, wie wichtig frühe Vorsorge ist. Ein Experte nennt die Gründe.

Der Potsdamer Mediziner Hans-Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife) fordert eine konsequente Prävention bei Kindern und Jugendlichen. Er begründet das in einem Interview anlässlich des Welt-Diabetes-Tages.

Warum ist die Ernährung der Kinder so wichtig?

Joost: Wir steuern auf eine Welle von 35- bis 40-Jährigen zu, die an Diabetes mellitus erkranken, weil sie als Kind extrem übergewichtig waren. Um diesen Trend zu stoppen, muss in die Prävention von kindlichem Übergewicht intensiviert werden. So sollten Kinder frühzeitig an eine vernünftige Ernährung herangeführt werden.

Wie soll dies aussehen, welchen Beitrag kann die Gesellschaft leisten?

Joost: Natürlich sind zunächst die Eltern gefordert - aber auch die Schulen. Soft-Drink-Automaten sollten aus ihnen verbannt werden, ebenso Süßigkeiten am Schulkiosk. Generell wäre auch die Schulspeisung ein sinnvoller Weg. Ich fand diese früher auch nicht unbedingt schön - aber mit Blick auf eine vernünftige Ernährung ist sie eine denkbare Maßnahme. Statt eines Frühstücks gibt es für viele Kinder und Jugendliche irgendwelche süßen Riegel, weil die Eltern glauben, diese seien gesund. Und zum Mittag dann Fertigprodukte oder Fast Food.

Sie fordern eine Ampelkennzeichnung für Lebensmittel - warum?

Joost: Sie ist einen Versuch wert. Mit der Ampel können wir dem Verbraucher plakativ sagen, das ist ein gesundes Produkt. Wollen wir eine Änderung in dem Ernährungsverhalten erreichen, sollten wir die Hersteller gesunder Produkte unterstützen. Wir müssen ihnen einen Vorteil auf dem Markt verschaffen. Nach dem Motto: Seht her, die verkaufen gesunde Sachen! Reagiert der Verbraucher darauf, könnte dies zu einer Veränderung der Produkte führen.

Welche konkreten Tipps können Ernährungswissenschaftler geben zur Vermeidung von Diabetes?

Joost: Studien haben inzwischen eindeutig belegt, dass Ballaststoffe aus Getreide - sprich Vollkornbrot - das Risiko deutlich senken. Rotes Fleisch, wie Schwein, Rind oder Lamm, sollte dagegen nicht zu häufig gegessen werden. Die Gründe dafür sind derzeit noch nicht bekannt, wir kommen der Lösung des Geheimnisses jedoch näher. So verspreche ich mir beispielsweise sehr viel von den Ergebnissen einer Interventionsstudie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung. Sie soll unter anderem darlegen, ob und wann eine Ernährungsumstellung wirksam ist. Wichtigster Tipp ist jedoch: Gewicht halten und in Bewegung bleiben.

Die Stoffwechselstörung Diabetes

Die im Volksmund auch Zuckerkrankheit genannte Stoffwechselstörung ist durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte gekennzeichnet. Der Diabetes mellitus gehört zu den häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZB) geht von bundesweit etwa sechs Millionen Patienten aus, andere Schätzungen von rund acht Millionen.

Weltweit sind etwa 250 Millionen Menschen betroffen. Schätzungen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2025 rund 380 Millionen sein werden. Die Häufigkeit von Diabetes mellitus hat weltweit in den vergangenen 50 Jahren stark zugenommen. Nach aktuellen Prognosen wird sie künftig noch schneller ansteigen.

Die Krankheit tritt in zwei Formen auf. Typ 2 ist die weitaus häufigere Form und wird auch «Altersdiabetes» genannt, da sie früher fast ausschließlich bei älteren Menschen auftrat. Zunehmend leiden aber auch Jüngere daran. Typ-1-Diabetes wird durch Insulin-Mangel verursacht und beginnt meist im Kindes- und Jugendalter.

Hauptrisikofaktoren sind Übergewicht, Bewegungsmangel und familiäre Belastung. Zu hoher Blutzucker schädigt langfristig Gefäße und Nerven, Herz- und Nierenfunktion, die Sehkraft sowie die geistigen Fähigkeiten. Zu den Folgekrankheiten gehören Herz-Gefäßerkrankungen, Schlaganfälle, Nierenversagen, Einschränkung der Sehkraft und das diabetische Fußsyndrom.

dpa