Gegen die geplanten Sparmaßnahmen des Freistaats bei Hochschulen und Studentenwerken gingen am Montag rund 3000 sächsische Studierende auf die Straße. Vom Augustusplatz zogen die Demonstranten bis zum Hauptbahnhof, wo am frühen Abend eine Abschlusskundgebung folgte.
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© Dirk Knofe
Kein Zufall, dass die Demonstration zeitgleich mit dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig stattfand. „Wir hoffen, mit der Demo ein Zeichen in Richtung Politik zu senden", sagt Organisator Florian Sperber vom Studentenrat der Universität Leipzig. Dass die CDU ausgerechnet das Thema Bildung auf die Agenda hob, sei eine Steilvorlage für die Demonstranten.

Vor dem Start der Demo übermalten Studenten die Porträts von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit weißer Farbe. Das Motto der Aktion: „Ihr streicht uns. Wir streichen euch."

Sachsens Bildungsministerin Sabine von Schorlemer kam bei der Aktion ungeschoren davon. Nach den Planungen des von ihr geleiteten Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sollen bis 2020 rund 1000 Stellen an Sachsens Hochschulen wegfallen. Auch den Studentenwerken drohen finanzielle Einschnitte. Demonstrant und Kulturwissenschaftsstudent Max nennt ein Beispiel. „Von fünf Professorenstellen an meinem Institut sind momentan drei unbesetzt." Professoren, die nachfolgen könnten, so fürchtet Max, wird es nicht geben.

Die Demonstranten waren aus dem gesamten Freistaat nach Leipzig gereist. Die Veranstalter sprachen von 3500 Teilnehmern, die Polizei schätzte 3000. Um halb zwölf starteten knapp 400 Studenten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig vor ihrer Hochschule in der Karl-Liebknecht-Straße und zogen zum Augustusplatz, wo die große Demonstration um 14 Uhr begann.

„Wir fragen uns, ob das Rektorat diese Entscheidungen ausgewürfelt hat"

Die Teilnehmer trugen Plakate mit Aufschriften wie „Wann kommt der Bildungsrettungsschirm?" oder „Kürzer geht's nicht". Letztere hatten rund 20 Studierende auch auf ihre Rücken geschrieben und sich vor dem Neuen Rathaus bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Auf einem Doppelkinderwagen stand: „Informatik + Mathematik. Haben wir noch Zukunft?" Beide Studiengänge sind momentan von der Schließung bedroht. „Dass die Kürzungen gerade uns so hart treffen, halten wir für Willkür", so Nils Rexin vom Fachschaftsrat Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften an der HTWK. „Wir fragen uns, ob das Rektorat diese Entscheidungen ausgewürfelt hat." Es gebe stetig mehr Bewerber für diese Studiengänge. Daher sei es unsinnig, gerade hier zu kürzen.

Dass der demografische Wandel zwangsweise zu einem Rückgang der Studierendenzahlen führen wird, wie das Staatsministerium argumentiert, bezweifeln die Demonstranten. Die Planungsdaten seien höchst unsicher, findet etwa Professor Günther Bentele, Vertreter der Dekane der Universität Leipzig. Wie etliche seiner Kollegen unterstützt Bentele den Protest. Einige Dozenten gaben ihren Studenten frei oder schickten ihnen die Unterrichtsmaterialien zu. Zusätzlich hatte der Senat der Universität beschlossen, während der Demonstration am Montag keine Prüfungen durchzuführen, um den Studenten die Teilnahme zu ermöglichen.

An den Kürzungsplänen wird wohl kaum zu rütteln sein

Von den Rektoren der betroffenen Hochschulen äußerte sich keiner bei der Abschlussveranstaltung am Hauptbahnhof. Uni-Rektorin Beate Schücking ließ lediglich ein Statement verlesen. Daraus ging hervor, an den Kürzungsplänen werde wohl nicht zu rütteln sein. Allein wo und wie gespart werde, sei noch verhandelbar.

Am längeren Hebel sitzt wiederum das sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Dessen Pressesprecherin Annett Hofmann äußerte sich zur aktuellen Situation so: „Engere finanzielle Spielräume und demografischer Wandel - davor dürfen wir die Augen nicht verschließen." Der Eindruck, alle Hochschulen seien überfüllt, sei falsch. „Hochschulen müssen jetzt die richtigen Weichen stellen, Angebote abstimmen und bündeln. Sachsens Hochschulen im Jahr 2020 sind wie ein Puzzle: Es gibt vielfältige Angebote auf hohem Niveau, aber nicht mehr an jedem Standort."

Der Autor Conrad Ziesch ist Mitglied der Lehrredaktion Campus, einem Gemeinschaftsprojekt des Studiengangs Journalistik der Universität Leipzig und der Leipziger Volkszeitung.