In Kairo fliegen wieder Steine: Bei den schwersten Ausschreitungen seit Beginn der Parlamentswahlen sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Ägypten kommt nicht zur Ruhe: Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften sind am Freitag in Kairo nahezu 100 Menschen verletzt worden. Das Gesundheitsministerium berichtete von Schussverletzungen, Knochenbrüchen und Prellungen. Nach den Angaben von Ärzten und Sanitätern kamen mindestens drei Menschen ums Leben.
Demonstranten in Kairo
© dpaDemonstranten auf Kairos Straßen.

Augenzeugen erzählten, die Demonstranten, die schon seit drei Wochen vor dem Kabinettsgebäude kampieren, hätten Steine auf die Polizei geworfen, nachdem einer von ihnen von der Militärpolizei vorübergehend in Gewahrsam genommen worden sei. Die Polizei habe daraufhin Wasserwerfer eingesetzt. Einige Polizisten hätten Steine zurückgeworfen und in die Luft geschossen. Drei Autos und mehrere Zelte der Protestierenden gingen in Flammen auf. Die Straßen rund um das Parlament glichen einer mit Steinen übersäten Kampfzone, über die dicke schwarze Rauchwolken hinweg zogen.

Die Proteste erreichten allerdings nicht das Ausmaß wie im November. Damals starben Dutzende Menschen bei tagelangen Demonstrationen gegen den Militärrat. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die jetzigen Ausschreitungen hätten begonnen, nachdem Regierungsbeamte, die wegen des Dauerprotests seit Wochen nicht zu ihren Büros gelangen könnten, die Demonstranten mit Gegenständen beworfen hätten.

Die etwa 150 Mann starke Protestgruppe vor dem Kabinettsgebäude, zu der junge "Revolutionsaktivisten" und eine Gruppe von Fußballfans gehören, will verhindern, dass die vom Militärrat eingesetzte Übergangsregierung von Ministerpräsident Kamal al-Gansuri dort ihre Arbeit aufnimmt. Am Freitag riefen sie: "Nieder mit der Militärherrschaft". Al-Gansuri hat inzwischen ein Büro im Gebäude der staatlichen Planungsbehörde bezogen.

Der Oberste Militärrat hatte im vergangenen Februar nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak die Macht übernommen und beherrscht das Land de facto noch immer. In Ägypten wird in diesen Wochen ein neues Parlament gewählt, in dem wahrscheinlich die Muslimbruderschaft die größte Fraktion stellen wird.

Die ersten Ergebnisse der zweiten Runde wurden am Freitag veröffentlicht. Wie schon im ersten Wahlgang, so lagen auch diesmal die Muslimbrüder mit Abstand auf Platz eins, gefolgt von der radikal-islamischen Partei des Lichts. Ein weiterer Wahlgang in den restlichen Provinzen und zwei Stichwahlen stehen noch aus. Am 13. Januar soll das endgültige Ergebnis des Votums veröffentlicht werden.

Politiker aller Parteien verurteilten das Vorgehen der Armee. So erklärte der Präsidentschaftskandidat und ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamed El-Baradei, über Facebook: "Selbst wenn die Sitzblockade illegal gewesen sein mag, muss sie mit solcher Brutalität und Barbarei aufgelöst werden?"

Siad el-Elaimi, ein Kandidat des liberalen Ägyptischen Blocks, sagte, er sei von den Sicherheitskräfte geschlagen worden, als er am Ort des Geschehens eingetroffen sei. Die Armeeoffiziere hätten ihm gesagt: "Zur Hölle mit Euch und Eurem Parlament.."