Auch an Weihnachten wollen die Bewohner des Frankfurter Occupy-Camps für eine "bessere Welt" demonstrieren

Frankfurt/Main - Morgens halb neun in Frankfurt. Das Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank scheint wie ausgestorben. Der erste Schnee ist in der Nacht gefallen. Die Zelte drohen unter dem Gewicht der weißen Pracht einzustürzen. Doch das kümmert die hartgesottenen Bewohner kaum. Sie liegen noch in ihren Schlafsäcken und träumen von einer besseren Welt.

Erst nach und nach erwachen sie, klettern aus ihren Zelten und trauen ihren Augen kaum. "Ich habe den Schnee heute Nacht gar nicht bemerkt", sagt Per. Seinen Nachnamen nennt er nicht. Im Camp duzt man sich. "Mir hat jemand einen Schneeball ins Zelt geworfen, um mich zu wecken. Erst da habe ich es gemerkt. Die Kälte fällt mir gar nicht mehr auf. Der Körper stellt sich darauf ein. Selbst nachts, wenn es noch ein paar Grad kälter ist, friert man nicht." Mit Besen fegen die übriggebliebenen Protestler den Schnee von den Zelten. Auch die Gehwege werden frei gemacht, damit kein Passant stürzt.

Per lebt jetzt schon seit 60 Tagen in seinem Zelt unterhalb des Euro-Zeichens. Bereits an der ersten Demonstration am 15. Oktober hatte er teilgenommen. "Ich dachte, die Polizisten würden das Euro-Zeichen bewachen und uns nicht auf die Wiese lassen", sagt er. "Doch als das nicht der Fall war, haben wir schnell unser Infozelt aufgebaut. Und nach einer Woche haben wir gemerkt, dass wir auch dauerhaft bleiben können."

Per hat sein normales Leben aufgegeben. Angestellter sei er. Wie es mit dem Job weitergeht, wisse er noch nicht. Derzeit ist er krankgeschrieben. Ob sein Chef von seinen Aktivitäten im Camp weiß? "Nicht wirklich", sagt er.

Rund 40 Occupyer leben noch im Camp. "Aber das wechselt. Nicht jeder kann hier Tag und Nacht sein. Die meisten sind zu stark in Familie oder Beruf eingebunden." Das mache die Planungen schwierig. "Ich würde gerne schon montags wissen, wer freitags Wache schieben kann", sagt Per. Die meisten kämen spontan. Aber die Hartgesottenen wollen Matsch und Schnee trotzen. Bis zum Frühjahr wollen sie ausharren. Spätestens dann erhoffen sie sich einen erneuten Ansturm auf ihre Demonstrationen.

In den letzten Wochen ist es eher ruhig um die Bewegung geworden. "Aber es gibt keinen Stillstand", sagt Jule: "Das ist die höchste Form des friedlichen Protests." Eine offizielle Forderung an die angeprangerten Banken und die Politik gibt es bis heute nicht. Camp-Bewohner Thomas sagt: "Wir haben jahrelang den Karren in den Dreck gefahren. Da können wir als kleine Bewegung nicht daherkommen und das Buch der Weisen erfinden." Und Wolfram Siener fügt hinzu: "Es ist ein Riesenopfer, das wir hier bringen. Es ist anstrengend. Es ist hart. Es ist kalt. Aber das Camp hat eine Riesensymbolkraft. Es bewegt sich was."

Auch Siener ist von Anfang an dabei. Er stand im Rampenlicht als offizieller Sprecher der Bewegung, bevor die ersten Protestler überhaupt auf die Straße gegangen sind. Dann zog er sich zurück. Es gab Neider und Drohungen gegen seine Eltern. Das hindert ihn nicht daran, Tag und Nacht im Camp zu sein. "Ich gehe nur nach Hause, um mich mal eine Nacht zu erholen", sagt er. Oder er nimmt einen Freund aus dem Camp mit, der dort mal duschen darf. "Aber lange hält mich Zuhause nichts mehr."

Selbst Heiligabend und die Feiertage wollen die Occupyer in ihrem Camp verbringen. Viele haben schon zugesagt. Nachmittags soll es Kaffee und Kuchen geben, am späten Abend eine Feier im Festzelt, "wenn das Besinnliche rum und die Oma weg ist". Einen Tag zuvor bekommen die Aktivisten aber noch hohen Besuch. Die evangelische Pröpstin Gabriele Scherle will mit Plätzchen vorbeikommen und Weihnachtslieder singen. Einen Weihnachtsbaum gibt es schon.

Am 27. Dezember läuft dann ihre Genehmigung vom Ordnungsamt ab. Alle zwei Wochen müssen sie diese verlängern. "Ich gehe davon aus, dass spätestens Ende der Woche ein neuer Antrag vorliegt", sagt ein Sprecher des Ordnungsamts. Bisher seien ihm keine Gründe bekannt, die gegen eine Verlängerung sprechen würden. Wenn sie es aushalten, könnten sie dort überwintern. "Die Bewohner im Camp sind sehr ruhig, sehr kultiviert. Wenn alle so wären, hätten wir wenig zu tun."