"Phobos Grunt" sollte zum Mars fliegen - doch die russische Raumsonde blieb im Erdorbit hängen und wird in einigen Tagen abstürzen. Wo die Wrackteile aufschlagen werden, ist noch unklar. Sicher ist, dass die Erdlinge ein 127 Millionen Euro teures Feuerwerk bekommen.
phobos grunt
© DPA / ROSCOSMOS Phobos Grunt

Es wird ein atemberaubendes Spektakel, so viel ist sicher. Und wer dabei ist, der wird wohl im entscheidenden Moment den Kopf einziehen - aus Angst, sonst von fliegenden Trümmerteilen getroffen zu werden. Der neue Imax-Film Space Junk 3D, der am 13. Januar im Omnimax Dome der US-Metropole St. Louis anläuft, wird die Bedrohung durch Weltraummüll erlebbar machen. Später werden auch andere Erlebniskinos rund um die Welt den 38-Minuten-Streifen auf die Leinwand bringen.

Wo dagegen die Show stattfindet, die "Phobos Grunt" - vermutlich kurz nach der Filmpremiere von St. Louis - abliefert, weiß noch niemand. Die defekte russische Marssonde stürzt aus dem Orbit auf die Erde zurück, so viel ist sicher. Und sicher scheint auch, dass einige Teile des Raumfahrtvagabunden bei ihrer Reise durch die Atmosphäre nicht verglühen werden. Die russische Raumfahrtagentur Roskosmos rechnet nun damit, dass die Trümmer am 15. Januar auf der Erde aufschlagen.

Die Nachrichtenagentur "Ria Novosti" zitiert den Vertreter der Raumfahrttruppen beim russischen Verteidigungsministerium, Alexej Solotuchin, allerdings mit der Aussage, das Datum könne sich wegen äußerer Faktoren noch ändern. Zum Beispiel beeinflusst die Sonnenaktivität, wie stark sich die Erdatmosphäre ausdehnt - und das wiederum entscheidet darüber, wie stark der Satellit abgebremst wird.

Wo die Trümmer von Phobos Grunt aufschlagen werden, weiß daher auch noch niemand. Roskosmos hat berechnet, dass die Absturzzone zwischen 51,4 Grad nördlicher Breite und 51,4 Grad südlicher Breite liegen könnte. Große Teile von Kanada und Russland wären damit fein raus, aber der Norden Deutschlands.

Das US-Militär wiederum hat vorhergesagt, dass die Sonde am 13. Januar irgendwo im Südwesten Afghanistans abstürzen werde. Das ist allerdings eine mehr als fragliche Prognose, wie Experten nun warnen: "Das kann man mit Sicherheit nicht bestätigen", sagt Tim Flohrer von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). Noch immer gebe es "signifikante Unsicherheiten von etwa zwei Tagen" beim Zeitpunkt des Absturzes.

Seit ihrem Start am 9. November hatte Phobos Grunt erhebliche Probleme. Die Triebwerke zur interplanetaren Weiterreise aus der Erdumlaufbahn zündeten nicht, Steuerkommandos ignoriert die Sonde. Im Moment kreist sie auf einer 185 bis 220 Kilometer hohen Bahn um die Erde, etwas mehr als eine Stunde dauert ein Umlauf.

Bei 80 Kilometern wird es kritisch

Das Satellitenkontrollzentrum der Esa im Darmstadt bekommt regelmäßig die neuen Bahndaten. Und jeden Tag sinkt der störrische Flugkörper, der eigentlich als erste interplanetare Mission Russlands seit 15 Jahren einen Mars-Mond untersuchen sollte, ein Stückchen tiefer ab.

Bei etwa 80 Kilometern wird es kritisch: Die Sonde tritt in die Atmosphäre ein, brachiale Kräfte und Temperaturen setzen ihr zu, zerstören sie aber nicht komplett. Laut Roskosmos könnten 20 bis 30 Wrackteile aus harten Metalllegierungen auf der Erde aufschlagen, insgesamt vielleicht 200 Kilogramm. Der giftige Hydrazin-Treibstoff der Sonde werde dagegen in der Atmosphäre verglühen. "Den genauen Ort des Aufschlags kann man erst im letzten Umlauf vorhersagen", sagt Esa-Fachmann Flohrer. Allerdings ließen sich schon etwa einen halben Tag vorher weitere Erdteile benennen, in denen der Crash nicht stattfinde.

Ohnehin stehen die statistischen Chancen recht gut, dass Phobos Grunt nicht auf Land trifft - genauso wie im vergangenen Jahr die beiden Crash-Satelliten UARS und Rosat, die ungesehen in den Ozean plumpsten. Die Russen werden hoffen, dass die Mission ohne größere Widrigkeiten zu Ende geht - und man in die Zukunft blicken kann. Für das kommende Jahr planen die Russen die Rekordzahl von 36 Weltraumstarts.

Im vergangenen Jahr sind fünf von 32 Starts russischer Weltraumraketen schiefgegangen, zuletzt die Beförderung eines Meridian-Kommunikationssatelliten. Der Absturz von Phobos Grunt ist eine schmerzhafte Erinnerung an dieses Annus horribilis. Damit sich Ähnliches nicht wiederholt, muss Roskosmos-Chef Wladimir Popowkin am 25. Januar bei Vizepremier Dmitrij Rogosin antreten. Der ehemalige Vertreter Russlands bei der Nato ist der neue starke Mann, der Moskaus Raumfahrtprogramm wieder auf Kurs bringen soll. Er hat auch die Erstellung einer russischen Raumfahrtstrategie bis zum Jahr 2030 angeordnet - die dann in der Umsetzung am besten ohne filmreife Crashs auskommen soll.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, das Staatsgebiet Kanadas liege komplett außerhalb der möglichen Absturzzone. Tatsächlich können aber gerade die dicht besiedelten Bereiche theoretisch doch getroffen werden. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Mit Material von dapd