WIEN. Was passiert im Gehirn eines Menschen, wenn er sieht, wie eine andere Person gerade Schmerzen ertragen muss? Mit der Fähigkeit zum Mitfühlen - der Empathie - beschäftigen sich Wissenschafter der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien im Rahmen eines dreijährigen Projekts.
Empathie
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Durch Manipulation des körpereigenen Opiatsystems wollen die Forscher Informationen darüber sammeln, ob beim Mitfühlen die gleichen Mechanismen ablaufen wie beim direkten Schmerzerleben.

Der Ansatz folgt der Annahme, dass im Gehirn einer Person, die einen anderen Menschen mit Schmerzen beobachtet, ähnliche Prozesse ablaufen, wie bei der Person, die die Schmerzen tatsächlich erleidet, erklärte der Neurowissenschafter und Psychologe Claus Lamm vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Uni Wien.

Die Forscher wollen sich diesen Mechanismen über das Opiatsystem im Gehirn annähern. Dieses System setzt körpereigene Neurotransmitter im Gehirn frei, die an den synaptischen Übergängen zwischen Nervenzellen die Übertragung von Schmerzen unterdrücken. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Schutzmechanismus des Körpers, der dazu dient, die Reaktionen auf Belastungen zu dämpfen. Die Wissenschafter wollen nun die Rolle, die dieses System im Hinblick darauf spielt, wie sehr man mit anderen Personen mitfühlen kann, untersuchen.

"Wir manipulieren sozusagen das Opiatsystem, während die Personen entweder selbst Schmerzreize bekommen oder andere Menschen dabei beobachten, während sie solche Reize erhalten", so der Projektleiter. Es stelle sich nämlich noch die Frage, ob bei der Wahrnehmung von Schmerzen, die man selbst erleidet, und bei Schmerzen anderer Personen wirklich das gleiche neuronale System aktiv ist.

Der Vorteil beim Schmerzsystem sei, dass es sich um ein spezifisches Neurotransmittersystem handle, das sich gezielt manipulieren lässt. Im Experiment werden die Forscher die Opiatrezeptoren der Versuchspersonen medikamentös blockieren. Fällt nun das Mitfühlen auch höher aus, wenn das Schmerzempfinden künstlich erhöht ist, kann man darauf schließen, dass tatsächlich das gleiche System am Werk sei, so Lamm.

Die Forscher wollen auch genetische Analysen durchführen. Ziel sei, jene Menschen zu identifizieren, die von Haus aus "mehr oder weniger dieser Opiatrezeptoren haben", was sich laut Lamm wiederum auf die Schmerzwahrnehmung auswirkt. Die Überlegung dahinter ist, dass sich die Anzahl der Rezeptoren möglicherweise auch auf die Empathie auswirken könnte. Das Projekt wird vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) mit insgesamt 500.000 Euro unterstützt.