Berlin - Schuhe auf Stöckchen, Sandalen am Regenschirm oder schwarze Gummistiefel einfach nur in der Hand: Mit hochgehaltenen Schuhen haben am Samstag in Berlin etwa 400 Menschen vor dem Amtssitz von Bundespräsident Christian Wulff demonstriert. Der Protest war im Internet über Facebook organisiert worden. Auf Plakaten forderten Teilnehmer den wegen eines umstrittenen Privatkredits und des folgenden Konflikts mit der Bild-Zeitung unter Druck geratenen Bundespräsidenten auf dem Gehweg am Schloss Bellevue in Berlin-Tiergarten zum Rücktritt auf. Kurz vor dem Ende der ansonsten friedlichen Kundgebung kam es nach Angaben der Polizei zu einer Rangelei, in deren Folge ein Demonstrant und ein Polizist verletzt wurden.
schuhe, demonstranten
© AP
Die Demonstranten durften nicht auf den Gehweg direkt vor dem Schloss, sondern mussten auf der anderen Straßenseite am Tiergarten protestieren. Einige hatten aber die Straßenseite wechseln und damit dem Amtssitz von Wulff näherkommen wollen. Dies unterband die Polizei, die zuvor zwar Präsenz gezeigt, sich aber diskret zurückgehalten hatte. Bei der Rangelei schlug ein 61-Jähriger einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht. Bei der anschließenden Festnahme des Mannes stürzte dieser zu Boden. Es entwickelten sich kurzzeitig tumultartige Szenen zwischen den Demonstranten und den Beamten.

Um die Situation zu beruhigen, erteilte die Polizei mehrere Platzverweise. Es wurden außerdem Strafanzeigen unter anderem wegen Landfriedensbruchs, versuchter Gefangenenbefreiung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Der vorläufig festgenommene 61-Jährige musste in ein Krankenhaus gebracht werden, erlitt aber nur leichte Verletzungen. Er erstattete Anzeige gegen einen Beamten wegen Körperverletzung im Amt.

Bundespräsident Wulff steht seit Mitte Dezember wegen eines umstrittenen Privatkredits für einen Hauskauf und einer Auseinandersetzung mit der Bild-Zeitung um die Berichterstattung massiv unter Druck. Auf dem Schlossgiebel wehte am Samstag die Fahne mit dem Bundesadler. Diese zeigt gewöhnlich die Anwesenheit des Hausherrn an. Bei Reisen oder Terminen außer Haus ist sie eingezogen. Wulff trat am Samstag nicht vor die Tür.

Teils spöttisch, teils empört machten die Demonstranten ihrem Ärger Luft. «Wulff in die Produktion» hieß es auf Plakaten, oder «Bundespräsidenten haben kurze Beine». Ein anderer Teilnehmer hielt ein Schild mit dem inzwischen geflügelten Wort «Ich habe fertig» in die nasskalte Luft. Als Nachfolge-Kandidat für Wulff wurde u.a. der Kabarettist Georg Schramm empfohlen. Für Lärm sorgten außerdem zahlreiche Trillerpfeifen.

«Ich bin zunehmend und jeden Tag mehr empört. Das geht jetzt alles zu weit», sagte eine Frau, die zwar ohne Schuhe an der Kundgebung teilnahm, aber dennoch ihren Unmut über den Bundespräsidenten zeigen wollte. Sie sei beschämt und sehr wütend über dessen Verhalten, betonte die Frau, die sich selbst als «alte 68erin» bezeichnete. Damals habe man noch das Gefühl gehabt, etwas bewirken zu können. Heute fühle man sich etwas hilflos, wenn man sehe, «wie die da oben ihr Süppchen kochen».

Der 49-jährige Ulf Hodapp kritisierte vor allem «diese Reisen, dieses Schnorrerverhalten». Wulff war unter anderem auch in die Kritik geraten, da er sich mehrfach von Bekannten zu Urlaubs-Aufenthalten einladen ließ. Das sei doch alles unwürdig für einen Ministerpräsidenten und erst recht für einen Bundespräsidenten. Ein junger Vater, der seinen vier Monate alten Sohn vor der Brust trug, betonte: «Ich möchte nicht, dass mein Kind in einer Bananenrepublik groß wird». Wahrscheinlich bringe der Protest ohnehin nichts, aber «man sollte wenigstens zeigen, dass man damit nicht einverstanden ist».

Das Motto der Aktion lautete «Wulff den Schuh zeigen - Shoe for you, Mr. President!». In der arabischen Kultur werden mit dieser Geste Menschen verhöhnt, aber auch Ärger und Verachtung werden so zum Ausdruck gebracht. Ein Teilnehmer wertete das Schuh-Symbol als Zeichen der Missachtung und des Zornes. Im übertragenen Sinn bedeute es auch: «Zieh die Schuhe an und geh'», fügte er hinzu.

Veranstalter der Aktion war die Organisation «Creative lobby of future» (Clof), die zu der Aktion auch über Facebook aufgerufen hatte. Deren Angaben zufolge nahmen mehr als 500 Menschen an der Kundgebung teil. Ob die Proteste damit beendet sind, glaubt Clof-Sprecher Jürgen Jänen indes nicht. Es gehe sicher weiter. So habe seine Organisation bereits dazu aufgerufen, die Schuhe an das Präsidialamt zu schicken. Einige seien auch schon angekommen.

dpa/bb