Affen gezüchtet im Labor
© dpa/OHSUDie Rhesusaffen Roku und Hex sind mit dem Erbgut von sechs Elternteilen gezüchtet worden.
Erstmals gibt es Primaten, die das Erbgut mehrerer Tiere in sich tragen. Das birgt auch ethische Probleme.

Mit großen Augen blicken die Rhesusäffchen Roko, Hex und Chimero in die Welt - nicht wissend, dass ihre Existenz für viele Menschen hier eine kleine Sensation darstellt. Denn erstmals ist es Forschern gelungen, im Labor Primaten zu schaffen, die das Erbgut mehrerer Individuen in sich vereinen. Shoukhrat Mitalipov vom Oregon National Primate Research Center in Portland und seine Kollegen stellen ihre Experimente in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Cell vor.

Von außen sieht man den Äffchen ihre Besonderheit nicht an. Sie seien gesund und entwickelten sich normal, berichtet das Team. Und dennoch werden die drei Tiere vermutlich nicht nur die biomedizinische Forschung beeinflussen, sondern auch neue ethische Debatten entfachen.

Zwar sind Chimären, wie man solche genetischen Mischwesen nennt, in der Wissenschaft nichts Neues. Wenn Forscher beispielsweise Knockout-Mäuse herstellen, bei denen bestimmte Gene stillgelegt sind, um deren Funktion zu untersuchen, geschieht das über den Umweg einer Chimärengeneration. Um eine chimäre Maus zu erschaffen, injizieren die Wissenschaftler Stammzellen aus einem Mäuseembryo in einen anderen, wenige Tage alten Embryo, die Blastocyste. Dort entwickeln sich die fremden Zellen ganz normal weiter.

Bei Primaten funktioniert dieses Verfahren allerdings nicht. „Offenbar ist die Organisation der Blastocyste bei Affen schon weiter vorangeschritten als bei Mäusen“, erläutert der Stammzellenforscher Jürgen Hescheler vom Institut für Neurophysiologie der Universität Köln.

Mitalipov und seine Kollegen wendeten daher eine andere Methode an. Sie fügten Zellen von bis zu sechs verschiedenen Embryonen im sogenannten Vierzellstadium zusammen. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Zellen des Embryos noch totipotent. Das heißt, aus ihnen kann ein vollständiges Lebewesen hervorgehen oder auch Plazenta- und Nabelschnurgewebe.

Die Zellen der verschiedenen Embryonen seien nicht miteinander verschmolzen, aber zusammengeblieben und sie hätten gemeinsam Gewebe und Organe gebildet, sagt Mitalipov. Vierzehn der so gewonnenen Mischwesen pflanzten er und sein Team in die Gebärmutter von Rhesusaffen. Drei von ihnen entwickelten sich erfolgreich bis zur Geburt. „Alle Affenjungen waren normal groß und wiesen keine offensichtlichen Defekte oder Missbildungen auf“, berichten die Wissenschaftler.

Für herausragend hält der deutsche Forscher Jürgen Hescheler das Ergebnis seiner US-Kollegen dennoch nicht. „Was mir an der Arbeit fehlt, ist die mechanistische Aufklärung“, sagt er. „Entscheidend ist doch, warum die bei Mäusen etablierte Methode bei Primaten nicht funktioniert und wodurch die embryonalen Stammzellen, die der Blastocyste entnommen werden, sich bei Mäusen und Primaten unterscheiden.“

Auch Mitalipov und sein Team sehen hier noch großen Forschungsbedarf. Ihre Arbeit zeige erneut, dass man Ergebnisse, die bei Mäusen erzielt worden seien, nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen könne, sagt der US-Forscher. Wenn man Stammzelltherapien aus dem Labor in die Klinik bringen wolle, müsse man verstehen, was die Primatenstammzellen könnten und was nicht: „Wir müssen sie in Menschen, auch in menschlichen Embryonen untersuchen“, fordert er.

Doch selbst wenn Mitalipov betont, dass er nicht beabsichtige, menschliche Chimären zu schaffen, wäre es für seine Vorhaben nötig, Mischwesen aus Mensch und Tier herzustellen. „Ich weiß, dass solche und ähnliche Experimente in China oder in den USA längst geplant sind und vermutlich auch schon vorgenommen werden“, sagt Hescheler.

Der Kölner Forscher kritisiert, dass es für derartige Vorhaben keine international geltenden Regelungen gebe. „Seit mehr als zehn Jahren versuchen wir, über die Vereinten Nationen zu klären, was in diesem Forschungsbereich erlaubt ist und was nicht“, sagt er. „Doch bis jetzt ist nichts passiert.“ Sicher ist, dass jedes Zwitterwesen aus Tier und Mensch große ethische Probleme mit sich bringen würde. Hescheler bringt das Dilemma auf den Punkt, wenn er fragt: „Wie viel Prozent menschliche Zellen müsste ein Lebewesen enthalten, um als Mensch zu gelten?“

Auch der Nationale Ethikrat hat sich mit diesem Thema bereits beschäftigt. Im November warnte das 26-köpfige Gremium, das den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung in ethischen Fragen berät, auf einer Pressekonferenz davor, die biologische Artgrenze zwischen Tier und Mensch in Frage zu stellen.

Aus diesem Grund müsse das im Embryonenschutzgesetz festgehaltene Verbot, menschliche Chimären herzustellen oder menschliche Embryonen auf ein Tier zu übertragen, erweitert werden. „Der Ethikrat vertritt einmütig die Auffassung, dass keine Einpflanzung von Mensch-Tier-Zybriden in eine menschliche oder tierische Gebärmutter vorgenommen werden darf“, heißt es in der Pressemitteilung.

Zybriden sind tierische Eizellen, die entkernt und mit dem Kern einer menschlichen Zelle versehen worden sind. Auf diese Weise wollen Wissenschaftler humane embryonale Stammzellen gewinnen, ohne auf menschliche Eizellen angewiesen zu sein.

„Wir wollen eine klare Grenzziehung, damit es erst gar nicht zur Entstehung von Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung kommt“, sagte ein Sprecher des Ethikrats, der SPD-Politiker Wolf-Michael Catenhusen. Aus diesem Grund müssten auch Übertragungen tierischer Embryonen auf den Menschen und Verfahren, mit denen sich menschliche Ei- oder Samenzellen im Tier herstellen lassen, verboten werden.

Anlass der jüngsten Stellungnahme des Ethikrats waren unter anderem Versuche von Wissenschaftlern gewesen, bei denen aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nervenzellen in das Gehirn von Affen transplantiert werden. Ziel dieser Experimente ist es, Therapien für Alzheimer und Parkinson zu entwickeln. Doch auch solche Methoden würde der Ethikrat gerne unterbinden - zumindest dann, wenn Menschenaffen an den Versuchen beteiligt sind.

In vielen anderen Ländern, beispielsweise in den USA, Großbritannien, China und Südkorea, werden solche heiklen ethischen Fragen sehr viel liberaler behandelt als in Deutschland - was Forscher hierzulande kritisieren. „Der Zug für weltweit geltende Regeln ist leider längst abgefahren“, bedauert Hescheler. Daran wird wohl auch die Geburt von Roko, Hex und Chimero nichts ändern.