Erste Verhaftungen - Neues Gesundheitsgesetz soll erstellt werden

Bukarest - Am Universitätsplatz in der rumänischen Hauptstadt Bukarest haben sich auch am Montagnachmittag etwa 200 Demonstranten, meist Pensionisten, versammelt. Es ist der vierte Tag der Protestkundgebungen gegen Staatschef Traian Basescu und die Regierung unter Premierminister Emil Boc von den Liberaldemokraten (PDL), denen sie den drastischen Spar- und Reformkurs der vergangenen eineinhalb Jahre, einschließlich Gehalts- und Stellenkürzungen im öffentlichen Sektor, vorwerfen.

Die Demonstrationen in Bukarest sind offiziell weiterhin nicht genehmigt. Auch in der westrumänischen Stadt Timisoara (Temeswar) fanden Proteste statt - diese sind jedoch der Nachrichtenagentur "Mediafax" zufolge vom Bürgermeisteramt bewilligt worden. Laut Innenminister Traian Igas (PDL) haben in den vergangenen Tagen in 36 Städten landesweit 8.600 Menschen an diversen Protestaktionen teilgenommen. Dabei waren rund 2.000 Gendarmen im Einsatz, einige davon seien ebenfalls verletzt worden.

Fiasko Gesundheitsreform

Das Fiasko um die Gesundheitsreform, das die Proteste ursprünglich ausgelöst hatte, scheint inzwischen immer mehr in den Hintergrund zu rücken. Im Vordergrund befindet sich mittlerweile die unkontrollierte und wahllose Gewalt einiger Demonstranten, wovon zahlreiche Verletzungen, Spitalseinweisungen und zwei Journalisten, deren Kleidung in Brand gesteckt wurde, zeugen. In Bukarest wurden Tränengas und Gummigeschoße eingesetzt. An den Protesten beteiligten sich Zeitungsberichten zufolge Gruppen von Fußball-Hooligans. Gegen einen von ihnen wurde bereits ein Haftbefehl ausgestellt, weitere Verhaftungen sollen nach entsprechender Identifizierung und Zeugenvernehmungen folgen. Wie Oberbürgermeister Sorin Oprescu erklärte, erstrecken sich die Verwüstungen, einschließlich Brandstiftungen, ausgerissener Zäune und Pflastersteine sowie zerstörter Geschäfte, Autos und Bankomate auf sechs Kilometer der Hauptverkehrsachse Bukarests.

Ende Dezember hatte das Gesundheitsministerium einen seit 2005 in Arbeit befindlichen neuen Entwurf des Gesundheitsgesetzes veröffentlicht. Die anschließende öffentliche Debatte lief aus dem Ruder, nachdem Präsident Basescu den damaligen Unterstaatssekretär Raed Arafat, der sich öffentlich gegen den Gesetzesentwurf aussprach, scharf angegriffen und dieser daraufhin am 10. Jänner gekündigt hatte.

Arafat ist in Rumänien als pragmatischer und apolitischer, jedoch äußerst idealistischer Fachmann sehr beliebt. Der nach Rumänien emigrierte, in Syrien geborene Palästinenser hatte mit anfangs äußerst beschränkten Mitteln den heute international mustergültigen Rettungsdienst "SMURD" aufgebaut. Arafat protestierte vor allem gegen die im neuen Gesetz vorgesehene Öffnung der Rettungsdienste für private Anbieter, mit dem Argument, dass dadurch dem finanziellen Gewinn statt der Rettung von Menschenleben Vorrang gewährt werde.

Basescu hat inzwischen veranlasst, dass das Gesetz noch einmal überarbeitet werden soll. Den Protesten konnte jedoch damit nicht Einhalt geboten werden. Obwohl Arafat selbst zur Einstellung der Proteste aufgefordert und vor einer Politisierung der Gesundheitsdebatte gewarnt hatte, werden die Proteste nun auch von der Opposition vereinnahmt. Der Vorsitzende der National-liberalen Partei (PNL), Crin Antonescu, kündigte am Montag an, zusammen mit den Sozialdemokraten (PSD) in Bukarest einen groß angelegten Protestmarsch organisieren zu wollen. Er forderte erneut den Rücktritt des Staatschefs, der "unfähigen und abwesenden" Regierung sowie das Organisieren von Neuwahlen.

Premier Boc hat Gesundheitsminister Ladislau Ritli vom Ungarnverband (UDMR) indes aufgefordert, eine Kommission zur Erstellung eines neuen Gesundheitsgesetzes einzuberufen und lud Arafat persönlich ein, ins Ministerium zurückzukehren und sich an den Gesprächen zu beteiligen.

APA