Schon vor Jahren gerieten Discounter in die Kritik, weil sie Kleidung unter menschenunwürdigen Zuständen in Bangladesch produzieren ließen. Dann sollte alles besser werden, eilig wurden Trainings anberaumt. Das Ergebnis aber ist ernüchternd: Für die Näherinnen hat sich wenig geändert, zeigt eine neue Studie.
Indische Näherinnen
© APSchuften bis zum Umfallen: Näherinnen in Bangladesch.

In den Aldi-Filialen liegen in dieser Woche Damen-Strickwesten für 7,99 Euro zum Verkauf, "figurumspielend" und "pflegeleicht". Bei KiK gibt es Fleecejacken, "leicht zu tragen", für ebenfalls weniger als 8 Euro. Solche Preise sind nur möglich, weil Discounter wie Lidl, KiK und Aldi ihre Kleidung überwiegend in China und Bangladesch produzieren lassen - und dafür grobe Verstöße gegen grundlegende Arbeitsrechte in Kauf nehmen. Die Discounter hatten Besserung gelobt, doch die Näherinnen vor Ort merken davon nichts.

"Das Sündenregister der Discounter ist skandalös", kritisiert Sandra Dusch Silva von der Kampagne für saubere Kleidung (CCC). Die Organisation recherchiert schon lange zur Situation der Näherinnen. Ende vergangenen Jahres hat sie für eine neue Studie 162 Arbeiter und Manager in Bangladesch befragen lassen. Das Textilunternehmen KiK räumt auf Anfrage von n-tv.de Missstände ein: "Wir stoßen immer wieder auf verbesserungswürdige Bedingungen."

Schuften bis tief in die Nacht

Discounter-Kleidung
© dpaIm Kampf um die Kunden drücken die Discounter die Preise.
KiK und Lidl lassen seit einigen Jahren Trainings in den Fabriken durchführen. "Diese Aktivitäten zielen darauf ab, gemeinsam mit den Lieferanten die Arbeitsbedingungen zu verbessern", erklärt KiK gegenüber n-tv.de. Tatsächlich erfahren die Näherinnen in den Lehrgängen einiges über Brandschutz und Sicherheit, dafür umso weniger über ihre grundlegenden Rechte - was dringend nötig wäre.

Denn noch immer müssen die Arbeiter, meist Frauen, bis zu 16 Stunden am Tag schuften, heißt es in der aktuellen Studie des CCC. An sieben Tagen in der Woche rattern demnach in stickigen, verdreckten Fabriken die Nähmaschinen, einen Überstundenausgleich gibt es nicht. Rücken- und Kopfschmerzen sind ständige Begleiter der Näherinnen, ihre Kinder bekommen sie kaum zu Gesicht. Auch nachts laufen Hosen, Jacken, T-Shirts für deutsche Kunden über die Nähmaschinen, um diese Zeit ist es für die Frauen besonders gefährlich: Von Belästigungen und Demütigungen berichten die Arbeiterinnen. Aufseher bedrängten sie mit sexuellen Angeboten, heißt es in der Studie. Die Angst, ausgeraubt oder missbraucht zu werden, begleitet sie noch auf dem Weg nach Hause.

Theater für die Kontrolleure

So mancher deutsche Kunde mag sich über die Schnäppchen-Kleidung bei den Discountern freuen, für die Näherinnen vor Ort aber bedeutet sie bittere Armut. Zwischen 27 und 92 Euro verdienen sie im Monat, zum Leben reicht das auch in Bangladesch nicht. Die Fabrikmanager wissen, dass solche Arbeitsbedingungen dem Image schaden, wenn sie publik werden. Melden sich Kontrolleure an, beginnt deshalb in den Fabriken, was der CCC eine "Theatervorstellung" nennt: Eilig werden Fabriken gereinigt und gelüftet, Sanitäranlagen auf Vordermann gebracht. Sogar eine Generalprobe für Kontrollbesuche gebe es, heißt es in der Studie, mit vorgefertigten Antworten für die Arbeiterinnen. "Wir bekommen unseren Lohn und die Überstundenbezahlung zusammen ausgezahlt. Wir arbeiten täglich nicht länger als bis 19 Uhr und machen keine Nachtschichten" - mit diesen Sätzen sollen die Kontrolleure besänftigt werden.
Indische Fabrik
© Foto: picture alliance / dpaIn vielen Textilfabriken gibt es weder Notausgänge noch Feuermelder. Bei diesem Brand starben 21 Arbeiter.

Immerhin: Es gibt diese Kontrollen. "Die Discounter entwickeln ein größeres Bewusstsein für die Probleme der Näherinnen", sagt Gisela Burckhardt gegenüber n-tv.de. Auch sie arbeitet für den CCC, ist Co-Autorin der Studie. Zumindest Lidl und KiK bemühten sich, die Situation zu verbessern, so Burckhardt. KiK will sich künftig für "geregelte Arbeitszeiten" einsetzen, wie es aus dem Unternehmen heißt. "Doch wirklich ändern wird sich erst dann etwas, wenn die Discounter den Produzenten faire Preise zahlen", glaubt Gisela Burckhardt. Bis dahin bleibt den Näherinnen in Bangladesch nur eine Hoffnung: Dass die Kunden tausende Kilometer westwärts bewusster einkaufen, statt nach Strickwesten und Fleecejacken für 7,99 Euro zu greifen.
Proteste in Dhaka
© picture alliance/dpaIm Juni 2011 demonstrieren Näherinnen in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka für höhere Löhne. Gebracht hat es nichts.