Sie greift Hirn und Nerven an. Die Horrordroge „Crystal Meth“ ist noch relativ neu. Den Stoff gibt es aber seit fast 100 Jahren. Auch Soldaten, Flieger und SS-Verbrecher Hitlers wurden damit versorgt. Ein junger Salzburger wäre kürzlich daran fast gestorben.

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Crystal Meth ist laut Experten brandgefährlich, weil sie das Nervensystem schädige oder zerstöre sowie dreieinhalb Mal so stark wirke wie Kokain und auch viel schneller abhängig mache.

Dealer überschwemmen Markt

Das kristalline, weiße Pulver wird schnell und einfach in illegalen Labors hergestellt. Erzeuger und Dealer-Netzwerke überschwemmen damit gerade die Drogenmärkte in Europa.

Das auch für das Gehirn sehr wirksame Gift ist vorerst auch noch billig oder manchmal sogar gratis zu haben. ORF-Redakteur Gerd Schneider hat mit einem jungen Salzburger gesprochen, der seine erste Erfahrung mit Meth auf der Lokalmeile des Salzburger Rudolfkais gemacht hat. Der Betroffene hätte das laut Medizinern beinahe nicht überlebt.

Horror und Panik nach Schnupferei

Es ist genau eine Woche her, da ist der 17-jährige Franz (Name geändert) zum ersten Mal in seinem Leben mit Crystal Meth in Kontakt gekommen. Ein ehemaliger Berufsschulkollege hat es ihm in einem Lokal am Rudolfskai gratis angeboten.

Franz hat das grobe Pulver zerstampft und geschnupft. Es folgte ein sechsstündiger Höhenflug mit Glücksgefühlen, wie er sie noch nicht kannte. Die Müdigkeit verschwand und auch das Hungergefühl.

Doch ganz plötzlich kam der Absturz, sagt Franz: „Da ist es dann schnell bergab gegangen mit mir. Ich habe gezittert und geschwitzt, dann kamen Schüttelfrost und Hitze. Der Kreislauf wurde schwächer. Zwei bis drei Nächte war überhaupt nicht an Schlaf zu denken. Es kamen Panikattacken und ein innerliches Gefühl von Schmerz. Ich dachte, ich brauche das Zeug wieder.“

Hilfe in der Doppler-Klinik

Es ging ihm schließlich so schlecht, dass er im Landesspital für weitere drei Tage stationär aufgenommen werden musste: „Der Körper ist über mehrere Tage total kaputt. Er will eigentlich schlafen, aber der Kopf ist total wach und will nicht schlafen. Mich musste man dann zwingen, dass ich esse und trinke. Ich war nämlich schon sehr stark dehydriert.“

Missbrauch schon bei „Deutscher Wehrmacht“

Meth kommt ursprünglich aus Japan, und die Substanz ist seit fast 100 Jahren bekannt. Zunächst war es nutzlos, bis die nationalsozialistischen Machthaber im Zweiten Weltkrieg kristallines Methamphetamin (chemische Fachbezeichnung) ihren Soldaten und Fliegern millionenfach verabreichten, um Müdigkeit und Hunger auszuschalten und um Angst sowie Bedenken gegen Kampf und Kriegsverbrechen zu vertreiben.

Auch Hermann Buhl schluckte

Bei „Wehrmacht“ und „Schutzstaffel“ (SS) der Nazis hieß die Droge „Pervitin“. Soldaten nannten es „Panzerschokolade“ oder „Fliegerschokolade“. Nach dem Zweiten Weltkrieg verwendete auch Österreichs Nationalheld Hermann Buhl bei seiner Solo-Erstbesteigung des Nanga Parbat in Pakistan solche Pervitin-Tabletten.

Jetzt kommt der Stoff als Crystal Meth und mittlerweile illegale Droge wieder in Mode.
„Pervitin“ der Nazis als Vorläufer:

Mit reichlich Propaganda gingen Hitlers Gefolgsleute gegen jeglichen Rauschgift-Konsum vor, auch gegen den seit Jahrhunderten auch in Europa als Schmerzmittel in Verwendung stehenden Hanf. Aber besonders hatten es die Nazis auf Kokain abgesehen, „die“ Mode-Droge von Künstlern der 1920er-Jahre. Braune Doppelmoral: Daneben wurden den Soldaten Hitlerdeutschlands massenweise Drogen verabreicht. Schon 1939 lieferten die Temmel-Werke in Berlin ca. 29 Millionen Pervitin-Tabletten für den Angriffskrieg Hitlers aus.
Experte mit dringender Warnung

Friedrich Wurst ist Vorstand der Suchtmedizin in der Christian Doppler-Klinik. Er berichtet von einem Trend: „Wir haben einen Wechsel von den dämpfenden Opiaten hin zu den stimulierenden Substanzen, die über sehr leichte Vertriebswege fast für jedermann erhältlich sind. Wir wünschen uns, dass sich betroffene Menschen rasch bei uns melden, damit wir helfen können. Es gibt Behandlungsmöglichkeiten.“

Neben körperlichen Schäden verursacht Crystal Meth auch Schädigungen des Gehirns. Süchtige leiden oft an schweren Psychosen. Der Experte Wurst geht davon aus, dass die Meth-Welle Österreich von Deutschland aus noch nicht wirklich erreicht habe. Das Schlimmste stehe hier noch bevor, befürchtet der Klinik-Vorstand. In den USA und Thailand sollen mittlerweile 60 Millionen Menschen von Meth abhängig sein.

Links:

Labor für Crystal Meth ausgehoben (ooe.ORF.at; 25.10.2011)

Nachrichtenmagazin Focus (Deutschland) über Pervitin & Co: Drogen an die Front ...

Tageszeitung Vancouver Sun (Kanada): Street kids using crystal meth at alarming rate ...