Zahlreiche RSV-Infektionen am Uniklinikum Heidelberg

In der Universitätsklinik Heidelberg ist eine rätselhafte Häufung von Infektionen mit dem sogenannte RS-Virus aufgetreten. Die normalerweise eher harmlosen Erreger können bei Kindern und Patienten mit geschwächten Abwehrkräften lebensbedrohliche Folgen haben. Nach Angaben der Klinik sind drei Patienten möglicherweise an einer Infektion mit dem Virus bereits verstorben.

Das RS-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus, RSV) verursacht bei Menschen mit intaktem Immunsystem meist nur eine harmlose Erkältung. Doch für die ohnehin geschwächten Patienten im Krankenhaus drohen weit schlimmere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Entsprechend kritisch ist die Ausbreitung der Erreger im Uni-Klinikum Heidelberg zu beurteilen. Seit Anfang des Jahres waren hier 19 Patienten auf zwei Krebsstationen und der Intensivstation an dem RS-Virus erkrankt. Zwar betonte eine Sprecherin der Klinik, dass die Situation unter Kontrolle und keine Patienten bedroht seien, doch musste sie ebenfalls eingestehen, dass „bei drei Patienten, die in diesem Zeitraum verstorben sind, der Erreger gefunden“ wurde. Der Klinik-Sprecherin zufolge kann „ein ursächlicher Zusammenhang“ zwischen den Todesfällen und dem RS-Virus daher „nicht ausgeschlossen werden“.

RS-Virus für Kinder und bei geschwächtem Immunsystem besonders gefährlich

Die Häufung der Infektionen mit dem RS-Virus am Universitätsklinikum Heidelberg ist laut Mitteilung der Klinik-Sprecherin äußerst ungewöhnlich und lediglich „Einzelfälle wären normal“. Zu den Ursachen der Infektionswelle liegen jedoch bisher keine weiteren Erkenntnisse vor. Die RSV-Infektionen wurden gemäß den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes dem Gesundheitsamt gemeldet. Parallel hat das Klinikum umfassende Untersuchungen zu den möglichen Übertragungswegen eingeleitet, um weitere Infektionen zu vermeiden. Die RS-Viren sind der Familie der Paramyxoviridae zuzuordnen, der auch das Masern- und Mumpsvirus angehören. Sie verursachen in der Regel eher harmlosen Erkältungskrankheiten, gelten jedoch auch als einer der verbreitetsten Auslöser von Infektionen der unteren Atemwege sowie Pneumonien bei Säuglingen und Kleinkindern. Zudem haben die Viren insbesondere bei älteren, geschwächten Patienten nicht selten schwere Atemwegsinfekte zur Folge. Am häufigsten sind normalerweise Kinder im Alter unter zwei Jahren und Babys unter sechs Monaten betroffen. Komplikationen und schwere Krankheitsverläufe treten vor allem bei kleinen Kindern aber auch bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem und Vorerkrankungen von Lunge oder Herz auf.

Häufung von RSV-Infektionen im Uni-Klinikum äußerst kritisch

Daher ist eine Ausbreitung der RS-Viren an der Uniklinik Heidelberg besonders kritisch zu bewerten. Hier wurden die RSV-Infektionen auf den drei Stationen der Abteilung Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie nachgewiesen, wo großteils schwerkranke Patienten mit verschiedenen Formen des Blutkrebs behandelt werden. Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Professor Anthony Ho, erläuterte, dass hier „manche Patienten eine Stammzelltransplantation oder eine Chemotherapie“ erhalten und „ihr Immunsystem also nicht mehr intakt“ sei. Entsprechend ist das „Risiko, eine schwere Lungenentzündung zu entwickeln“, deutlich erhöht, so die Aussage des Mediziners. Bei besonders schwerem Krankheitsverlauf könne auch „eine Beatmung erforderlich sein“, weshalb die drei verstorbenen Patienten zuletzt auf der Intensivstation der Abteilung Gastroenterologie behandelt wurden, erklärte Ho.

Möglicher Zusammenhang zwischen RSV-Infektionen und drei Todesfällen

Inwieweit ein Zusammenhang zwischen den Todesfällen und der Ausbreitung der RS-Viren an der Uni-Klinik Heidelberg besteht, ist bislang nicht geklärt. So betonte auch der Ärztliche Direktor Professor Anthony Ho: „Ob die RSV-Infektion Ursache für das Versterben der schwerkranken Patienten war, ist unklar, denn die Patienten haben viele Probleme, aber es lässt sich auch nicht ausschließen.“ Auch bleibt der Infektionsweg bisher unklar. Die RS-Viren werden per Tröpfcheninfektion übertragen, wobei die Erreger zum Beispiel beim Husten oder Niesen als Aerosol (winzige Tröpfchen in der Luft) von Mensch zu Menschen weitergegeben werden können. Auch bei engem Hautkontakt mit infizierten Personen besteht eine deutlich erhöhte Übertragungsgefahr. Meist gelangen die Erreger anschließend über die Nasenschleimhaut oder die Bindehaut des Auges in den Körper, wo sie sich auf den Schleimhäuten der Atemwege einnisten und vermehren. Die Inkubationszeit beträgt laut Aussage der Experten ungefähr zwei bis acht Tage nach Kontakt mit dem RS-Virus.

Suche nach den Ursachen der RSV-Infektionen

Um der Ausbreitung des RS-Virus auf die Schliche zu kommen, hat die Klinikleitung des Universitätsklinikums Heidelberg bei 200 Krankenhausmitarbeitern und etwa 70 Patienten einen Test auf das Virus angeordnet. Allerdings wurde laut Aussage der Klinik-Sprecherin lediglich ein weiterer Fall entdeckt, wobei es sich um einen „schwach infizierten“ Mitarbeiter handle, der momentan nicht im Dienst sei. Das Resultat eines zweiten Tests wird in den kommenden Tagen erwartet. Zudem wurden zusätzliche Hygienemaßnahmen festgesetzt, um eine weitere Ausbreitung der Erreger zu vermeiden. „Wir haben alles dafür getan, die Infektionskette zu unterbrechen sowie weitere Patienten und Mitarbeiter zu schützen“, betonte der Kommissarische Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg, Peter Nawroth.

Zusätzliche Hygienemaßnahmen zur Unterbrechung der Infektionskette

So wurden beispielsweise die infizierte Patienten isoliert, das Personal erhielt spezielle Masken und für Menschen mit Atemwegsinfektionen wurde ein Besucherstopp ausgesprochen. Des weiteren verhängte die Klinikleitung einen Aufnahmestopp für Patienten, die nicht unbedingt eine Operation benötigen. Eine Unterbrechung der Infektionskette „scheint uns gelungen“, denn seit dem 17. Januar 2012 seien keine weiteren Infektionen mehr aufgetreten, erklärte Peter Nawroth. Allerdings muss bis dato „irgendwo eine Verbreitung stattgefunden haben“, erläuterte die Klinik-Sprecherin. Die Ursache der Verbreitung von RS-Viren auf der Krebsstation des Universitätsklinikums bleibe trotz der offenbar erfolgreichen Eindämmung völlig offen. Daher habe das Universitätsklinikum die Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) angefordert. Diese sollen helfen den Ursachen der Infektionswelle doch noch auf die Spur zu kommen.

fp