Das Schmallenberg-Virus ist in Thüringen angekommen. Nach dem ersten Nachweis zu Wochenanfang sind inzwischen zwei weitere Fälle bei Schafen bekannt.

Erfurt/Suhl - Das Schmallenberg-Virus wird nun auch für Thüringer Schafzüchter zum Problem. Neben dem Kyffhäuserkreis sind nun auch Schafhaltungen im Unstrut-Hainich-Kreis und in Jena mit jeweils einem erkrankten Tier von der für Huftiere gefährlichen Krankheit betroffen. Das bestätigte am Freitag das Thüringer Sozialministerium auf Anfrage. Elf Verdachtsfälle werden derzeit noch untersucht, darunter auch ein Kälbchen.

Vor zwei Wochen hatte das Ministerium die Tierhalter aufgefordert, auf Fehl- und Frühgeburten sowie Missbildungen besonders zu achten und etwaige Vorfälle zu melden. Das trägt jetzt Früchte. "Die Tierhalter sind sensibilisiert", sagt Referatsleiter Michael Elschner. Auf diese Weise will man einen Überblick über die Situation im Freistaat erhalten. Noch gibt es keine offizielle Anzeigepflicht für die Seuche. Man tut aber schon mal so als ob: "Wir versuchen bereits im Vorgriff auf die Meldepflicht entsprechend zu arbeiten", so der Fachmann.

Bisher war das Virus in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und in Deutschland in sechs Bundesländern nachgewiesen worden - seit dieser Woche nun auch in Thüringen. Als empfänglich gelten bisher Rinder, Schafe und Ziegen. Doch die Wissenschaft hat noch einen Berg an Fragen vor sich, den es zu beantworten gilt. So weiß man heute noch nicht, ob es nach der Ansteckung eines tragenden Muttertieres nur einmal bei Kalb oder Lamm zu einer Fehlbildung kommt oder auch in späteren Jahren. Wäre dem so, würde dies fatale Folgen für die Tierhalter haben. Schließlich erneuern Rinder und Schafhalter ihre Bestände durch den eigenen Nachwuchs. Zukäufe würden das wirtschaftliche Betriebsergebnis auf den Kopf stellen. Fallen beispielsweise in den Schafhaltungen Generationen von Lämmern aus, wäre dies das wirtschaftliche Ende. "Vieles muss noch untersucht und geklärt werden. Wir wissen beispielsweise noch nicht, ob das Virus zu Fruchtbarkeitsstörungen auf Dauer führt. Unklar ist auch, ob einmal infizierte Tiere eventuell immun gegen die Krankheit bleiben", sagt Elschner.

Dass derzeit erst einmal Schafe betroffen sind, dürfte seine Ursache in der Tragezeit haben. Ehe nach dem Decken ein Lamm zur Welt kommt, vergehen fünf Monate. Rechnet man diese Zeit zurück, so kommt man in den Frühherbst hinein, wo das Virus schon unterwegs war. Übertragen wird es nämlich durch stechende, blutsaugende Insekten. Erste Symptome wie Milchrückgang und Fieber waren im Sommer 2011 bei Milchkühen aus Nordrhein-Westfalen beobachtet worden. Und so dürften möglicherweise die Fälle bei Rindern in Thüringen erst noch bevorstehen, denn sie haben mit neun Monaten eine weitaus längere Tragzeit. Möglicherweise sind die Auswirkungen so erst im April oder Mai zu sehen.

Dabei geht es nicht nur um besagte Missbildungen bei Lamm und Kalb an sich. Auch die Geburten selbst können zur absoluten Gefahr werden und zum Verlust der Muttertiere führen - gerade wegen der Missbildungen wie verbogenen oder versteiften Gliedmaßen. "Deshalb raten wir den Haltern dringend, die Überwachung der Tiere deutlich zu verstärken. Das hat jetzt oberste Priorität", so Elschner.

Für einen Impfstoff wird fieberhaft geforscht. Ansonsten arbeiten derzeit die frostigen Temperaturen weiter gegen die Mücken, die das Virus übertragen. "Uns bleibt deshalb nichts übrig als abzuwarten", sagt Arno Rudolph vom Landesverband Thüringer Schafzüchter. Man hoffe, dass man noch glimpflich durch die aktuelle Lammzeit ohne eine Häufung der Seuchenfälle komme. Bis zur nächsten Deckzeit im Juli und August geht noch Zeit ins Land. "Vielleicht ist man dann schon weiter mit den Erkenntnissen."