Kiel - Jetzt geht auch bei den schleswig-holsteinischen Rinderzüchtern die Angst um.

Nachdem das heimtückische Schmallenberg-Virus nach 29 Schafzuchten im Land nun auch den ersten Rindermast-Betrieb befallen hat, ist die Sorge der Landwirte vor möglicherweise nicht absehbaren finanziellen Schäden groß. 9145 Rinderhalter mit 1,14 Millionen Tieren gibt es in Schleswig-Holstein. „Wir brauchen jetzt schnell eine europaweite Strategie, wie wir mit dem Virus umgehen“, fordert Matthias Leisen, Geschäftsführer der Rinderzucht Schleswig-Holstein e.G. Das Schmallenberg-Virus müsse als Seuche anerkannt werden. Erst dann könnten befallene Betriebe finanziell entschädigt werden, „egal aus welchem Topf“. Leisen befürchtet, dass die erste befallene Rindermast „nur der traurige Anfang ist“. Das Virus werde in weiteren Ställen nachgewiesen werden. „Wir müssen leider mit einem beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden rechnen.“ So werde zum Beispiel fehlender Nachwuchs den teuren Zukauf von Jungtieren nötig machen.

Die Höhe des Schadens zu prognostizieren, sei wegen der Unterschiedlichkeit der Betriebe schwierig, erläutert Walter Reulecke, Zuchtleiter im Verband schleswig-holsteinischer Fleischrinderzüchter. Mutterkuhhalter, denen die Kälber ausfallen, könnten die größten Leidtragenden sein. Das ganze Ausmaß werde erst im Frühjahr absehbar sein. Diese Einschätzung teilt das Kieler Umweltministerium. Denn eine Kuh ist rund 285 Tage trächtig, ein Schaf nur gut die Hälfte der Zeit. Der Erreger ist nach bisheriger Erkenntnis im vergangenen Sommer und Herbst von Mücken übertragen worden.

Reulecke warnt unterdessen vor einer Panik in der Bevölkerung. „Ohne dieses Virus bagatellisieren zu wollen, hat Schmallenberg eine andere Qualität als frühere Lebensmittelskandale.“ Der Verbandschef hofft sehr, dass sich verängstigte Verbraucher nicht gleich beim Fleischeinkauf einschränken. Das Schmallenberg-Virus übertrage sich nicht auf Menschen. Bei allem zur Schau getragenen Optimismus: „Einbußen für uns wird es trotzdem geben“, sagt er. Mit dem Virus befallene Kälber kommen mit Missbildungen zur Welt oder überleben häufig nicht.

Das bundeseigene Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems geht davon aus, dass sich der Erreger aktuell wegen des Winterwetters nicht weiter ausbreitet. „Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes ein eingefrorenes Geschehen“, sagte FLI-Präsident Thomas Mettenleiter. Experten sind auch optimistisch, dass die Muttertiere bald gegen das Schmallenberg-Virus immun werden und sich die Ausbreitung der Krankheit auch so verlangsamt. Mit einem vollständig getesteten Impfstoff sei voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.