Ein weißer Pilzbelag legt sich um die Nase der Tiere, dringt in ihre Haut ein und tötet sie am Ende. 5,7 Millionen Fledermäuse hat eine mysteriöse Seuche in den USA bereits dahingerafft. Nun wurde erstmals in Europa ein Tier mit dem sogenannten Weißnasensyndrom entdeckt.

Mysteriös ist die Seuche, sie treibt in Höhlen ihr Unwesen und befällt ihre Opfer im Schlaf. 5,7 Millionen Fledermäuse sind in den USA bereits dem Weißnasensyndrom erlegen, seit diese Pilzkrankheit Anfang 2006 in einer Höhle im Staat New York entdeckt wurde. "Es ist eines der schlimmsten Wildtierdesaster, das wir je in Nordamerika hatten", sagt Winifred Frick von der kalifornischen Universität Santa Cruz. Nun ist das Weißnasensyndrom erstmals auch bei einer Fledermaus in Europa diagnostiziert worden.

Zoologen um Natália Martinková vom Institut für Wirbeltierbiologie im tschechischen Brno haben ein Tier mit dem verdächtigen weißen Pilzbelag um die Nase entdeckt (Journal of Wildlife Diseases, Bd. 48, S. 207). Gewebeproben zeigten, dass sich der Pilz auch in die Haut des Flugsäugers eingegraben hatte. Anders als seine amerikanischen Artgenossen mit weiß verfärbter Nase war die tschechische Fledermaus aber quicklebendig.

Ihre Entdeckerin Martinková versucht die Gemüter denn auch zu beruhigen: "In Europa gibt es bestimmt derzeit keine Katastrophe", betont sie. Alles deute darauf hin, dass es den Fledermäusen hier gut gehe. Die Populationen würden gut überwacht, heißt es auch am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). Wenn übermäßig viele Tiere sterben, würde das bald auffallen.

Üblicherweise lebt der Pilz mit dem zerstörerischen Namen Geomyces destructans auf unbehaarten Hautstellen wie Mund, Nase, Ohren und Flughäuten der Tiere. Die Krankheit überfällt die Tiere erst, während sie in ihren Höhlen friedlich schlafend dem Winter trotzen. Wahrscheinlich sind ihre Abwehrkräfte zu dieser Zeit am schwächsten. Dann kann der Erreger auch bei gesunden Exemplaren in die Haut eindringen und dort Sporen ablegen. So entsteht wohl ein Juckreiz, der die Tiere aus dem Winterschlaf aufweckt. Sie verlieren Fettreserven, abgemagert gehen sie schließlich zugrunde.

Stammt der Erreger aus Europa?

Auch in Europas Fledermaushöhlen ist der Pilz weitverbreitet. Das hat eine Arbeitsgruppe um Emma Teeling vom University College Dublin und Gudrun Wibbelt vom IZW im vergangenen Jahr festgestellt. "Bisher scheint er hier aber keinen tödlichen Einfluss gehabt zu haben", sagte Wibbelt. Immer wieder fragten sich Experten daher, ob der Pilzbefall überhaupt Ursache oder nur Folge der Krankheit sei. Doch seine potentiell tödliche Kraft gilt seit kurzem als bewiesen (Nature, Bd. 480, S. 376, 2011).

Wahrscheinlich haben sich die Tiere in Europa an den Erreger gewöhnt, lautet eine These. Demnach ist der Pilz offenbar in Europa heimisch und wahrscheinlich erst von hier nach Amerika gelangt, wo ihm die Flugsäuger nichts entgegenzusetzen hatten. Diese Erkenntnis könnte den amerikanischen Fledermäusen helfen, hofft Ann Froschauer vom US Fish and Wildlife Service. "Wenn wir die Anfälligkeit der Tiere besser verstehen und die Widerstandsfähigkeit der europäischen, können wir die Krankheit vielleicht endlich bekämpfen." Das Sterben der Fledermäuse habe schließlich weitreichende Folgen, weil sie Samen verbreiten und eine Unmenge Insekten vertilgen - darunter auch viele Pflanzenschädlinge.

In Europa wird wohl eine Neuregelung bald erheblichen Erkenntnisgewinn bringen. Denn wie stark der Erreger unter der Haut der Tiere wütet, konnten Forscher diesseits des Atlantiks kaum feststellen. Bisher sei die Forschung an Fledermäusen stark reglementiert gewesen, betont Natália Martinková. Erst seit dem Massensterben in Nordamerika dürften Forscher Tiere einschläfern und Biopsien nehmen. So kam es nun auch zum Nachweis des ersten Falls der Weißnasenkrankheit.