Grabow/Schwerin (dpa - Ein niederländischer Pharmakonzern plant den ersten Einsatz gentechnisch veränderter lebender Bakterien an Pferden in Deutschland.

Im Lewitz-Gestüt des Ex-Springreiters Paul Schockemöhle in Südwestmecklenburg sollen Fohlen mit einem Impfstoff behandelt werden, um sie gegen eine eitrige Lungenentzündung immun zu machen. Das geht aus einer Bekanntmachung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hervor. In dem Gestüt mit 3500 Pferden und jährlich 650 Fohlen erkranken laut Antrag mehr als 50 Prozent der Fohlen an Lungenentzündung. Die Tiere infizieren sich mit dem Wildtyp des Bakteriums Rhodococcus equi.

Die Firma Intervet International B.V. plane den Versuch in diesem Jahr in Grabow, teilte die Umweltorganisation BUND am Freitag in Schwerin mit. Der Bund für Umwelt und Naturschutz warnt vor Gesundheitsgefahren für Menschen und Tiere.

Beantragt ist, von 2012 bis 2014 insgesamt 120 Fohlen zu impfen, jedes Tier maximal viermal. Die Behandlung soll in einem offenen Stallgebäude in Grabow erfolgen, wo die Fohlen mindestens sechs Wochen nach der letzten Impfung bleiben sollen. Gestütssprecher Marc Lämmer sagte, es würden wohl nur 60 Fohlen in den Versuch einbezogen, von denen nur 30 den Lebend-Impfstoff erhalten. Die anderen bekämen zum Vergleich ein Placebo. Intervet habe das Gestüt gebeten, dort den ersten Feldversuch in Deutschland durchführen zu dürfen.

Nach Angaben von Intervet in Boxmeer kann die Lungenentzündung für Fohlen tödlich sein oder zu dauerhaften Lungenschädigungen führen. Bislang seien Versuche zur Entwicklung eines Impfstoffs erfolglos gewesen. Der jetzt verwendete Bakterienstamm habe sein Ansteckungspotenzial durch die Entfernung von vier Genen verloren. Es habe umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit gegeben. Daher werde erwartet, dass er auch keine Krankheit beim Menschen oder anderen Tierarten hervorruft, hieß es. Der Versuch gehört zu einer Studie, mit der Intervet bei der Europäischen Arzneimittelagentur die Zulassung des Impfstoffs beantragen will. Bis zum 16. Februar können in Grabow Einwendungen gegen das Vorhaben gemacht werden, erst dann wird über die Zulassung des Versuchs entschieden, wie eine BVL-Sprecherin sagte.

Nach Ansicht des BUND-Agrarexperten Burkhard Roloff kann die eitrige Lungenentzündung auch bei Menschen auftreten. «Die Folgen einer Erkrankung durch gentechnisch veränderte Bakterien sind nicht vorhersehbar», sagte Roloff. Er sieht die Gefahr, dass neue Krankheitserreger entstehen können, deren Wirkspektrum anders oder größer als das des ursprünglichen Erregers ist. Die Bakterien könnten laut Roloff mit der Luft, mit Staub oder Pferdekot verbreitet werden, außerdem durch Vögel und Nager. Damit seien sowohl Pferde in der Nachbarschaft des Gestütes als auch wildlebende Tiere gefährdet.

Mit dem Impfstoff solle die nicht artgerechte, industrielle Haltung von zu vielen Pferden auf zu engem Raum optimiert werden, vermutet Roloff. Die beste Möglichkeit zur Eindämmung der Lungenentzündung sei die Verbesserung der hygienischen Haltungs- und Aufzuchtbedingungen und die Verringerung der Tierzahl je Stall. In Deutschland insgesamt spielt die Krankheit laut BUND ohnehin eine geringe Rolle. Auffallend häufig sei sie in Ländern mit Großgestüten wie den USA, Großbritannien, Irland und Australien.

dpa