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© dpa/DPAHanf zählt zu den ältesten Nutz- und Heilpflanzen
Cannabis hilft vielen Krebspatienten, trübt jedoch gleichzeitig ihr Gedächtnis. Zu diesem Ergebnis kommen kanadische Forscher. Die Wissenschaftler suchen jetzt nach einem Weg, diese Nebenwirkung auszuschalten. Das könnte auch für die Bekämpfung von Alzheimer von Nutzen sein.

Cannabis ist nicht nur als Droge sehr begehrt, sondern wird auch seit Jahrtausenden als Medizin geschätzt. Es lindert Schmerzen, bekämpft die Nebenwirkungen einer Chemotherapie bei Krebs und hat sich auch in der Therapie von Aids-Patienten bewährt. Zudem hemmen Medikamente auf Cannabis-Basis oder künstlich erzeugte Cannabinoide unter anderem Spastiken bei Multiple-Sklerose-Patienten und regen den Appetit von Magersüchtigen an. Doch es gibt einen großen Nachteil: Der im Cannabis enthaltene berauschende Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, kurz THC, beeinträchtigt das Arbeitsgedächtnis.

Das Arbeitsgedächtnis ist Teil unseres Erinnerungsvermögens. Es ist für die vorübergehende Speicherung und Veränderung von Informationen verantwortlich. Mit ihm können wir uns über einen begrenzten Zeitraum etwa Telefonnummern oder eine Einkaufsliste merken. Sobald wir das Wissen nicht mehr brauchen, vergessen wir es und machen Platz für Neues.

Ein internationales Forscherteam hat jetzt entschlüsselt, wie sich Marihuana genau auf das Arbeitsgedächtnis auswirkt. Das Ergebnis ist eine große Überraschung: THC, die psychoaktive Substanz in Marihuana, beeinträchtigt das Gedächtnis unabhängig von seiner direkten Wirkung auf die Neuronen. Die Nebenwirkungen entstehen tatsächlich durch den Einfluss der Droge auf jene Zellen, die bisher nur als Ernährer und Unterstützer der Neuronen bekannt waren - die Astrozyten. „Wir haben jetzt den ersten Beweis erbracht, dass Astrozyten das Arbeitsgedächtnis direkt beeinflussen“, sagt Xia Zhang, Neurowissenschaftler an der kanadischen Universität Ottawa. „Dass die unterstützenden Zellen in Wirklichkeit eine führende Rolle einnehmen, ist die größte Entdeckung unserer Forschung. Das ist einfach unglaublich.“

Doch wie sind die Wissenschaftler den Astrozyten auf die Schliche gekommen? Sie haben Ratten und Mäuse bei verschiedenen Aufgaben beobachtet, nüchtern und auf Droge. Einer dieser Tests war das sogenannte Morris-Wasserlabyrinth. Bei diesem Versuch wurden die Nager in ein Becken mit trübem Wasser gesetzt und mussten eine Plattform unterhalb der Wasseroberfläche aufspüren. Beim zweiten Anlauf fanden Sie die Plattform schon viel schneller, weil sie sich in ihrem Arbeitsgedächtnis die Position gemerkt hatten. War den Tieren allerdings zuvor eine Dosis THC verabreicht worden, brauchten sie länger, um die Plattform zu finden. Die Droge hatte offensichtlich ihr Gedächtnis getrübt.

Nicht so bei Mäusen, denen ein Rezeptor namens CB1R auf der Zellmembran der Astrozyten fehlte. Sie waren gegen die negativen Effekte auf das Gedächtnis immun. Fehlte stattdessen der CB1R-Rezeptor auf den Neuronen, litten die Tiere immer noch unter Gedächtnisproblemen. „Die Studie zeigt, dass einer der typischen Effekte des Marihuana-Rausches durch die Aktivierung des CB1R-Rezeptors der Astrozyten verursacht wird“, schreiben die Forscher im Fachjournal Cell.

Da Neuronen einen anderen CB1R-Rezeptor besitzen als Astrozyten, könnte es eventuell einen Weg geben, die Rezeptoren auf den Neuronen zu aktivieren und gleichzeitig jene auf den Astrozyten auszuknipsen. Würde dies gelingen, könnte man die Vorteile der Cannabis-Pflanze für diverse Krankheiten nutzen, ohne dabei das Arbeitsgedächtnis zu beschädigen. Die Erkenntnisse der Forscher könnten auch für Krankheiten wie Alzheimer von großer Bedeutung sein. Denn auch bei Alzheimer wird das Arbeitsgedächtnis Schritt für Schritt beschädigt. „Mein nächstes Ziel ist, herauszufinden, ob die gleichen Mechanismen, durch die Marihuana das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt, auf die Alzheimerkrankheit übertragen werden können“, sagt Xia Zhang.