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© colourbox/symbolbildMädchen sind deutlich häufiger Opfer von Missbrauch als Knaben.
Befragt wurden 6700 Jugendliche in der 9. Schulklasse in allen Sprachregionen der Schweiz. 22 Prozent der Mädchen und 8 Prozent der Knaben gaben an, schon mindestens einmal einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben, bei dem es zu körperlichem Kontakt kam. Von diesen Betroffenen holen sich aber nur 3 bis 5 Prozent professionelle Hilfe oder melden den Missbrauch.

Manuel Eisner ist Professor am Institut für Kriminologie der Universität Cambridge. Er hat die «Optimus Studie» mitverfasst. Zu «SF Online» sagt er: «Dies könnte daran liegen, dass sich die jungen Opfer oft selbst die Mitschuld am Übergriff geben.» Etwa, weil Alkohol im Spiel gewesen sei.

Weil die Täter zudem meist gleichaltrig sind und aus dem Umfeld der Opfer stammen, hätten diese auch Angst, aus dem Freundeskreis ausgeschlossen zu werden. Häufig fehle es ausserdem an Aufklärung: «Die Jugendlichen denken, der Übergriff war gar nicht strafrechtlich relevant.»

Noch häufiger: Missbrauch ohne Körperkontakt

Die Tatsache, dass die Täter meist Gleichaltrige aus dem Umfeld der Opfer sind, hat die Macher der Studie am meisten überrascht. Meist handle es sich um den Liebespartner, einen Kollegen oder ein Date, so Manuel Eisner. Somit erleben Jugendliche mehr Übergriffe durch Gleichaltrige als etwa durch Familienmitglieder.

Viele Übergriffe würden auch über Internet oder Mobiltelefone erfolgen, so die Studie. Fast jedes dritte Mädchen und fast jeder zehnte Knabe seien davon betroffen. Mädchen sind allgemein häufiger Opfer als Jungen. Von sexuellem Missbrauch mit Körperkontakt sind gemäss Studie 217 von 1000 Mädchen betroffen, bei den Knaben sind es 81 von 1000. Einen Missbrauch ohne Körperkontakt erlebten 40 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Knaben.

Unklar ist dabei, wo bei den Jugendlichen das Missbrauchsempfinden ansetzt. «Dort, wo etwas gegen den Willen des Betroffenen geschieht», so Manuel Eisner.

Neue Ausrichtung der Prävention

Doch Jugendliche sind auch Täter: Sieben Prozent der Knaben und ein Prozent der Mädchen gaben an, selbst auch schon sexuelle Übergriffe an anderen begangen zu haben. Die Studie zeigt, dass diese Jugendlichen überdurchschnittlich oft als Kinder misshandelt wurden, einem harschen elterlichen Erziehungsstil ausgesetzt waren oder wenige Freunde hatten und sozial isoliert waren.

Die Urheber der Studie hoffen, dass sich mehr Jugendliche, die Opfer sexueller Gewalt wurden, Hilfe suchen. Es brauche dringend niederschwellige und altersgerechte Hilfsangebote. Die Prävention müsse zudem mehr darauf ausgerichtet sein, dass Jugendliche heutzutage mehr ausgehen, Alkohol konsumieren, im Internet surfen und sich in einem gewaltbereiteren Umfeld bewegen.

sf/gern