Letztes Jahr sind zwei niedergelassene Ärzte vom Amtsgericht Ulm wegen Bestechlichkeit verurteilt worden.

Was war geschehen?

Die beiden Ärzte einer Praxisgemeinschaft/Doppelpraxis hatten einen Deal mit der Firma Ratiopharm. Dieser besagte, dass für jede Ratiopharm-Verschreibung die Ärzte um die 8 Prozent vom Abgabepreis erhalten würden. Mit anderen Worten: Je mehr Ratiopharm-Produkte die Ärzte verschrieben, desto mehr Vergütung erhielten sie von der Firma als nettes, fettes Zubrot. Auf diese Weise haben beide Docs zwischen 2002 und 2005 19.000 Euro dazu verdient. Als Belohnung nun wurden die Mediziner vom Gericht zu einem Jahr Haft auf Bewährung verdonnert und jeder darf 20.000 Euro Strafe zahlen.

Zwei Ärzte - Zerrbild für alle?

Wer aber jetzt glaubt, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt, der irrt. Inzwischen sind über 3000 Fälle aktenkundig geworden, bei denen oft gerade Ratiopharm seine Hände im Spiel hat. Die Firma führt keine Originalwaren, sondern ausschließlich Generika. Da kann man halt nicht mit Forschung und Innovation angeben, sondern muss die Scharte mit marketingtechischen Mitteln auswetzen.

Zumindest auf diesem Gebiet hat sich die Firma seit geraumer Zeit als innovativ bewährt. So zeigte sich einer der beiden verurteilten Ärzte als aufgebracht, weil die anderen 2999 nicht auch mit verurteilt worden sind. So sind angeblich „Tausende Ermittlungsverfahren in der Ratiopharm-Affäre gegen Zahlungen von Geldbußen eingestellt worden“. Diese Aussage bestätigt, dass diese Vorgehensweise bei Ratiopharm System hat und keinen Einzelfall darstellt. Unsere beiden Verurteilten dagegen hatten das Bußgeld nicht bezahlen wollen und es auf einen Prozess ankommen lassen.

Was steckt dahinter?

Die Presse feiert dieses eine Urteil als Sieg des Rechtsstaats über die Gier von Ärzten und Pharmaindustrie. Natürlich ging sofort eine akademische Diskussion los, ob denn überhaupt das Annehmen von Geld von der Pharmaindustrie den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt. Auch andere juristische Klauseln werden heiß diskutiert, so etwa, ob ein Arzt überhaupt wegen Bestechlichkeit verurteilt werden kann und ob gesponsorte Ärztereisen strafbar sind usw.

Wie dem auch sei, diese langweilige Diskussion um der Diskussion Willen weigert sich standhaft, sich mit den wirklichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Sie scheint vielmehr von der Realität und deren Ungeheuerlichkeit ablenken zu wollen.

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten...

Ob ein Arzt es will oder nicht, aber auch er muss trotz seines Status als “Halbgott in Weiß” seine Brötchen selbst verdienen. Ob er es mag oder nicht, aber seine Praxis unterliegt den Gesetzen der Marktwirtschaft und muss daher rentabel arbeiten. Von daher sind die niedergelassenen Ärzte gezwungen, ihre Unkosten so klein wie nur möglich zu halten, nicht zuletzt, weil die Möglichkeiten, das Einkommen zu steigern, weitestgehend beschränkt sind. Denn die Leistungen für Kassenpatienten werden von der Krankenkasse diktiert. Einträglich sind nur Privatpatienten, aber von denen gibt es nicht furchtbar viele. Und mehr Kassenpatienten behandeln wollen sprengt dann irgendwann auch einmal den 24-Stunden-Tag. Von daher ist es nicht sonderlich verwunderlich, wenn auch die Herren Mediziner einmal nach einer kostenfreien Vergünstigung oder einer „Lohnerhöhung“ schmachten, denn man hat ja nicht umsonst studiert, oder?

Das dies nun über diese fragwürdige Schiene läuft, wird zum Gegenstand einer überflüssigen Diskussion gemacht, die auf fast perfekte Weise von den Vorgängen im Gesundheitswesen und der Verflechtung der Pharmaindustrie ablenkt. Hier sind es auf einmal fragwürdige Mediziner, die sich „unrechtmäßig“ bereichern wollen. Aber was ist mit der Pharmafirma, die dieses Angebot erst ermöglicht hat, indem sie es angeboten hat?

Oder haben diese 3000 Ärzte die arme Firma bzw. Firmen gezwungen, diese Vereinbarungen anzubieten? Ist es nicht vielmehr so, dass die Initiative für fragwürdige Praktiken wieder einmal von der Pharmaindustrie ausgegangen ist?

Klar, dass auch hier wieder deutlich wird, dass es immer noch nicht um den Patienten geht, wenn Arzt und Pharmaindustrie sich zusammenraufen. Aber diese 20.000 Euro für die beiden Docs und die 200 Euro mal 2999 andere Sündenböcke sind doch keine Summen gegen die organisierte Abzocke bei Schweinegrippeimpfung, fragwürdigen Medikamenten, die jedes Jahre Milliarden Umsatz machen, bis dass die Medikamente vom Markt genommen werden müssen, weil man die tödlichen Nebenwirkungen nicht mehr verheimlichen kann und andere Kapriolen.

Ratiopharm hat sich im Existenzkampf gegen die forschende Industrie was Besonderes einfallen lassen, was im Prinzip der Pharmaindustrie würdig ist. Peinlich ist nur, dass man hier mit Krümeln um sich wirft und sich dabei auch noch erwischen lässt. Also, im Westen nichts Neues - die Kleinen werden immer noch gehängt, während die Großen so weiter machen dürfen wie bisher.
Es ist eine alte Weise,
doch bleibt sie immer neu.
Und wem sie just passieret,
dem bricht das Herz entzwei.
(Heinrich Heine, Buch der Lieder)