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Venedig hat nicht nur mit dem Anstieg des Meeresspiegels zu kämpfen, es kommt dem Wasser zusätzlich entgegen. Das haben Präzisionsmessungen amerikanischer und italienischer Forscher ergeben. Obwohl das Abpumpen von Grundwasser in der Lagunenregion längst gestoppt ist, senkt sich der dortige Untergrund noch immer um etwa 2 Millimeter pro Jahr.

„Dieser Effekt erscheint klein, ist aber bedeutsam“, erklärt Yehuda Bock von der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla. Da der Meeresspiegel in der Lagune etwa um den gleichen Betrag steige, dürften die dortigen Pegelstände in den nächsten 20 Jahren um etwa 8 Zentimeter steigen - ganz ohne Zutun von Wind und Gezeiten.

Offenbar sei der Boden unter Stadt und Lagune doch nicht ganz zur Ruhe gekommen, folgern Bock und seine Kollegen im Fachblatt Geochemistry, Geophysics, Geosystems. Allein im Zeitraum 1950 bis 1970 hatte sich der Untergrund um 12 Zentimeter gesenkt, indem im großen Stil das Grundwasser angezapft wurde. Nach dem Stopp dieser Praxis hatten einige Studien auf eine weitgehende Stabilisierung hingedeutet.

Für ihre neue Untersuchung analysierten die Forscher Daten von GPS-Empfängern und satellitengestützten Radarmessungen aus den Jahren 2000 bis 2010. In diesem Zeitraum senkte sich die Stadt demnach um 1 bis 2 Millimeter pro Jahr, im Norden der Lagune waren es bis zu 3 Millimeter und im Südteil sogar bis zu 4 Millimeter pro Jahr. Nach Ansicht Bocks und seiner Kollegen gehen höchstens 0,6 Millimeter pro Jahr auf die Bewegung der tektonischen Platten in der Region zurück.

Möglicherweise habe sich der Boden nach der Grundwasserentnahme noch immer nicht vollständig gesetzt, so die Geowissenschaftler. Als ein weiterer Faktor gilt das Ausbaggern der Schifffahrtswege zu den petrochemischen Anlagen im Westen der Lagune, wodurch sich der Sedimentverlust beschleunigt.

Ganz unabhängig von solchen Faktoren könnten die Tage Venedigs längst gezählt sein, so das Ergebnis eines von der UNESCO organisierten Workshops. Demnach wird der Meeresspiegel als Folge der globalen Erwärmung wahrscheinlich so stark steigen, dass selbst die großen Schutzwehre, die derzeit in den Lagunenöffnungen gebaut werden, die permanente Überflutung der Stadt bestenfalls um einige Jahrzehnte hinauszögern können.


Forschung: Yehuda Bock, Scripps Institution of Oceanography, University of California San Diego, La Jolla; Shimon Wdowinski, Division of Marine Geology and Geophysics, University of Miami; Alfio Fumagalli, Tele-Rilevamento Europa, Mailand; und andere

Veröffentlichung Geochemistry, Geophysics, Geosystems, DOI 10.1029/2011GC003976 (im Erscheinen)