Seit die Modedroge "Spice" 2009 verboten wurde, sprießen ähnliche Kräutermischungen aus dem Boden. Doch die wenigsten Konsumenten Wissen um die Gefahr der Produkte.
kräuter, drogen
© DPASchädlicher als Cannabis: Die Kräutermixturen sind mit synthetischen Cannaboiden versehen, die im Gehirn die gleichen Rezeptoren erregen wie Cannabis - die Wirkung ist jedoch wesentlich stärker und kann zu Angst- und Unruhezuständen führen

Sie haben abenteuerliche Namen wie "Lava Red", "Green Cat" oder "Manga Hot". Getarnt sind sie als Badesalz, Kakteendünger oder als Duftmischung zur Raumluftverbesserung. "Nicht zum Verzehr geeignet" steht auf den Tütchen, die über das Internet bestellt werden können. "Aber das ist nur zur Tarnung", sagt Thomas Zilker, der Leiter des Giftnotrufs München. In Wirklichkeit handelt es sich um Kräutermischungen, die eine halluzinogene Wirkung haben.

Wer sie einnimmt, werde von Angst- oder Unruhezuständen heimgesucht und könne aggressiv werden, warnt Zilker. Genau wie der 14-Jährige, der vor einigen Tagen im Landkreis Bamberg aus neun Metern Höhe vom Balkon stürzte und sich schwer verletzte. Ihm wurde die Kräutermischung "Jamaica Gold" zum Verhängnis, wie der Giftnotruf vom behandelnden Krankenhaus weiß.

"Vor vier Jahren sind diese Kräutermischungen mit ’Spice’ zum ersten Mal aufgetreten", erklärt Claudia Vodermaier vom Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Nicht nur junge Menschen gehörten zu den Abnehmern, alle Altersgruppen seien vertreten, sagt Vodermaier. Die Modedroge "Spice" ist seit Anfang 2009 verboten. Es sind aber nicht die Kräuter, die "Spice" und andere Kräutermischungen gefährlich machen. "Die Kräuter an sich sind harmlos", erläutert Zilker.

Kräutermischung schädlicher als Cannabis

Die psychotischen Zustände würden durch synthetische Cannabinoide verursacht, mit denen die Kräuter versehen sind. Diese erregten im Gehirn den gleichen Rezeptor wie Cannabis, seien aber viel stärker wirksam. Und seit "Spice" habe der Konsum solcher Kräutermischungen zugenommen, sagt Zilker.

Einige dieser synthetischen Cannabinoide seien bereits in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen, wie das in "Spice" enthaltene JWH-018, sagt Michael Uhl aus dem Kriminaltechnischen Institut des LKA. Uhl leitet dort das Sachgebiet Chemie und stößt bei den dort untersuchten Kräutermischungen immer wieder auf neue solcher Cannabinoide. An die 30 Stoffe stünden zum Teil schon seit zwei Jahren auf einer Warteliste, um in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen zu werden.

Viele Kräutermischungen enthalten somit keine registrierten Betäubungsmittel und werden daher oft als "Legal Highs", also legale Drogen, bezeichnet. Doch der Schein trügt: Kräutermischungen sind sogenannte Funktionsarzneimittel, erklärt Uhl. Genau wie zugelassene Arzneimittel beeinflussten sie die physiologischen Funktionen des Körpers und fielen daher unter das Arzneimittelgesetz.

Der private Besitz kleinerer Mengen sowie der Konsum seien zwar erlaubt. "Eine solche Kräutermischung darf aber nicht in Verkehr gebracht werden", sagt Bernhard Kreuzer vom Rauschgiftdezernat des LKA. Die "Legal Highs" dürfen also weder an andere weitergegeben, noch verkauft werden.

Hohe Dunkelziffer

Die Kriminellen, die es dennoch tun, verdienen an den Tütchen, die etwa ein halbes Gramm enthalten, zwischen 10 und 40 Euro, sagt Kreuzer. Verlässliche Zahlen, wie viele Menschen in Bayern solche Kräutermischungen zu sich nehmen, gebe es nicht. Denn das LKA registriere nur solche Fälle, in denen es sich um eine Straftat handle, die Inhaltsstoffe der Kräutermischungen also unter das Betäubungsmittelgesetz fielen.

166 Kliniken wandten sich vergangenes Jahr wegen Kräutermischungen an den Giftnotruf München. Bei 30.000 Anfragen zu Vergiftungen im Jahr, sei das nicht viel, meint Zilker. Aber er geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Kräutermischungen selbst führten nicht zum Tod. Aber wie der 14-Jährige aus dem Landkreis Bamberg hätten die Betroffenen in ihrem berauschten Zustand oft Unfälle. "Die Menschen verlieren das Gefühl für das, was gefährlich ist."

dapd/dsz