Ganze zwei Jahre lang hat es für die Erlaubnis für ein Interview mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gedauert. ZDF-Moderator Klaus Kleber durfte den iranischen Präsidenten ohne inhaltliche Absprachen oder Vorgaben befragen - eine große Chance - die mächtig vergeigt wurde.
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© Screenshot ZDF

Das Interview wurde im ZDF Heute-Journal ausgestrahlt, aber leider nicht vollständig und mit eigener Übersetzung. Das Originalinterview ist in der Mediathek des ZDF auf der Internetseite zu sehen. Die Unterschiede könnten hierbei nicht größer sein und fallen stark auf, wenn man zu aller erst das Video in voller Länge mit originaler Übersetzung anschaut und im Anschluss mit dem Zusammenschnitt im Heute-Journal vergleicht.

Einfache Wörter, die in einem Redefluss nicht viel zu wirken scheinen, geben dem Beobachter ein komplett anderes Bild über den iranischen Präsidenten.

Aber nun zum Anfang des Heute-Journal Videos. Man drückt den Play-Knopf und erwartet eine kurze Einleitung zum Interview und evetuelle Eckdaten und diese bekommt man auch. Nach rund zehn Sekunden dann die erste Aussage, die man nicht nachvollziehen kann. Die Moderatorin leitet das aufgezeichnete Video mit “Willkommen im Palast des Herrschers” ein. Der erste Eindruck sitzt und das Interview kann nun so subjektiv verfolgt werden, wie es eingeleitet wurde.

“Die Mischung aus unbändigem Hass auf die Israelis, Minderwertigkeitskomplexen und Gier nach Macht und der Atombombe. Das ist das Material aus dem nun gar ein Krieg werden kann.“, sagt die Moderatorin nach ihrer sehr “objektiven” Meinung zum Veranstaltungsort. Das traurige an der ganzen Sache ist, dass die Dreistigkeit der Berichterstattung einem förmlich ins Gesicht springt. Die subjektive Wahrnehmung der Journalisten wird nicht mal versucht zu vertuschen.

Dann ein kurzer Beitrag über die Aufrüstung der USA im persischen Golf und die Angriffspläne der Israelis. Hierbei gibt es nichts auszusetzen. Objektiv, direkt und kurz. Dann wieder die Moderatorin, die von “...gruseligem Spiel” und “...ein Mann, der regelmäßig den Holocaust leugnet” redet. Scheinbar hat man von den Übersetzungsfehlern nicht gelernt oder will es einfach nicht. Wie sonst könnte man Schlagzeilen generieren und die Zuschauerzahlen erhöhen? Mit objektivem Journalismus? - Gewiss nein, man nehme sich ein Beispiel an der BILD-Zeitung.

Die nächsten Sätze der armen Moderatorin überspringen wir mal, denn dass würde den Rahmen einfach sprengen. Auch wenn Sätze es Wert sind, hier zitiert zu werden. Nun zum Kleber-Interview.

Wenige Sekunden vor dem Erscheinen des Interviews dann doch noch dieser Satz: “Die Presseabteilung des Präsidenten inszeniert das Interview als den Auftritt eines mächtigen Staatsmannes.” Ob Ahmedinedschad nun mächtig ist oder nicht sollte hierbei nicht die Frage sein. Man darf nur nicht den Fehler machen und ihn unterschätzen. Währenddessen sieht man wie Kleber ruhig und locker in seinem Stuhl sitzt. Er macht den Anschein, als würde er tagtäglich solche Interviews führen, doch im Anschluss ist von dieser lockeren und “professionellen” Handhabung eines Interviews leider nicht viel zu sehen. Fragen, die vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht besser hätten formuliert werden können und Zeichen eines überforderten Claus Klebers. Auch vermisst man direkte Fragen und Konter gegen Ahmedinedschads unaufhörliche Gegenfragen. Doch die Taktik des iranischen Präsidenten kommt deutlich zum Vorschein. Bedachte Antworten mit unbequemen Gegenfragen, die den Autor in Verlegenheit bringen sollen.

Das Interview

Nach einigen Sekungen dann die Frage Klebers an den Präsidenten: “Bezeichnen Sie Israel als künstliches Land?”
Die Antwort des Präsidenten wird hier unmissverständlich übersetzt:

“Ja sicher, entstanden durch eine Lüge mit dem Titel Holocaust, dafür büßen jetzt die Palästinenser.” Harte Worte, die einen uneinsichtigen Holocaustleugner zeigen.

Doch wie sieht die Originalübersetzung aus?
Ja sicher, das wissen Sie auch. Das wissen auch die Anderen. Wie ist dieser Staat, dieses Regime zustande gekommen? Das ist eine kolonialistische Planung gewesen und das weiß Jeder. Entstanden durch eine Lüge.
Wie man unschwer erkennen kann ist die Antwort Ahmadinedschads etwas länger ausgefallen und über die Originalaussage und deren genaue Meinung kann man sich streiten - über die Kurzfassung des ZDF nicht. Auch wenn die Kürzung im Grunde dafür angewendet wurde, um dem Zuschauer eine Kurzversion zu bieten und die inhaltlichen Höhepunkte hervorzuheben, könnte man ohne schlechtes Gewissen die Meinung vertreten, dass hier nicht korrekt zusammengefasst bzw. gekürzt wurde.

Auch Ahmedinedschad scheint aus seinen Fehlern nicht gelernt zu haben. Der Umgang des Westens mit der Holocaust-Leugnung sollte ihm mittlerweile bekannt sein und bei so einem wichtigen Interview ist die Gefahr groß, dass es auf die Holocaust-Leugnung reduziert wird.

Im Anschluss fragt Kleber, ob das (Lüge mit dem Titel Holocaust) der Grund sei, warum er behauptet habe, dass Israel von der Landkarte getilgt werden sollte. Auf die Antwort und Frage gehen wir nicht so genau ein, denn mittlerweile sollte jedem bewusst sein, dass dieses Zitat mit der Tilgung Israels von der Landkarte ein falsch übersetztes Zitat ist. Mit der Originalaussage hat der iranische Präsident das israelische Regime gemeint, dass von der Landkarte getilgt werden sollte. Er wurde in der Vergangenheit oft mit ”Israel must be wiped off the map.” zitiert, doch hat er nie ”map” und “wipe off” benutzt. Seine Originalaussage war ”in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad”, was übersetzt bedeutet ”Das Besatzerregime muss Geschichte werden.”

Selbstverständlich stellt er sich auf die palästinensiche Seite und die Siedlungspolitik der israelischen Regierung ist auch kein Geheimnis mehr. Rund 250 Siedlungen werden außerhalb des israelischen Staatsgebietes auf palästinensischem Gebiet gebaut und durch Mauern vor den Palästinensern geschützt. Eine Parallele zu der Berliner Mauer ist unweigerlich zu erkennen - soll sie doch auch die Guten vor dem Bösen schützen. Leider ist die böse Seite nicht immer klar erkennbar.

Gemäß Artikel 49 der IV. Genfer Konvention von 1949 darf die Besatzungsmacht „nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet verschleppen oder verschicken.“ Nach Artikel 53 dieses Abkommens ist es der Besatzungsmacht auch untersagt, „bewegliches oder unbewegliches Vermögen zu zerstören, das (...) Privatpersonen oder dem Staat (...) gehört.“ Somit sind die israelischen Siedlungen Völkerrechtswidrig und ein Dorn im Auge des gesamten nahen Ostens und natürlich auch des iranischen Präsidenten.

Im Großen und Ganzen sollte man sich beide Versionen des Interviews ansehen, denn eine detailierte Analyse würde den Rahmen sprengen und ein ganzes Buch füllen. Worauf aufmerksam gemacht werden sollte, ist der Unterschied zwischen der Originalversion und der zusammengeschnittenen Ausstrahlung im Heute Journal.

Natürlich ist Ahmadinedschad kein Engel auf dem internationalen diplomatischem Parkett und dürfte die ein oder andere Feindseligkeit gegenüber Israel übrig haben, doch leider trifft dies im Umkehrschluss auch auf die israelische Regierung zu. Die Konflikte werden mit den gegenwärtigen Regierungen beider Parteien und ihren Ideologien niemals gelöst werden, da die israelische Regierung mit ihren extrem nationalistischen Ideen keine Kompromisse mit den Nachbarn zulässt und das iranische Regime von Grund auf den israelischen Staat nicht anerkennt.

Zusatz aufgrund von Kommentaren:

Diese Analyse soll die Unterschiede der beiden Versionen des Interviews aufzeigen, die am Anfang zu erkennen sind und soll die Leser dazu ermutigen, beide Versionen zu sehen. Selbstverständlich hat Ahmedinedschad in der Vergangenheit “dummes, unverschämtes und rassistisches über Israel geäußert“, doch sollte man trotzdem journalistische Genauigkeit bewahren. Dieser Artikel soll keine Verteidigung irgendeiner Seite oder politischen Einstellung darstellen. Man sollte immer und v.a. in kritischen Zeiten politische Gegner richtig zitieren können und eine objektive Berichterstattung gewährleisten.

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