Sie bewegen sich unkoordiniert, taumeln oder fallen einfach um. Ganze Taubenbestände verenden innerhalb weniger Wochen an einer heimtückischen Krankheit. Der Erreger ist weltweit auf dem Vormarsch.

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Ganze Bestände edler Zuchttauben in Berlin sind von der heimtückischen Krankheit betroffen. Die Tiere verenden innerhalb weniger Wochen. Tierärzte der Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin sind dem rätselhaften Sterben nun auf die Spur gekommen: Es handelt sich um einen Parasiten, der weltweit auf dem Vormarsch ist. Weitere Forschungen an den Gehirnen verendeter Tauben könnten möglicherweise bald Rückschlüsse auf andere tödliche Tierkrankheiten bringen.

"2006 gab es die ersten Fälle", sagt Institutsleiter Achim Gruber. Anfangs leiden die Tauben unter Durchfall. Bei Tieren, die nicht daran starben, stellten die Forscher nach sieben bis acht Wochen eine Gehirnerkrankung fest. "Die Tiere bewegten sich unkoordiniert, taumelten oder fielen einfach um", erläutert der Tiermediziner. Dadurch wurden sie leicht zur Beute von Habichten und Falken. Das habe die Ausbreitung des Parasiten mit dem Namen Sarcozystis calchasi begünstigt.

Mit der Aufnahme des Muskelfleischs gelangt der Erreger in den Darm der Greifvögel. "Er nistet sich in den Darmzellen ein, und mehrere Millionen winzig kleiner neuer Parasiten entstehen", sagt der Experte. Der Greifvogel stirbt allerdings nicht daran. Kommt sein Kot mit Futter oder Wasser der Tauben in Berührung, infizieren sich weitere Tiere. Gruber, Philipp Olias und Michael Lierz entdeckten, dass die Tauben lediglich Zwischenwirte für den Parasiten sind.

Ähnliches haben Forscher bei Rindern beobachtet. Sogenannte Besnoitia, sagt Gruber, setzten sich unter der Haut der Huftiere fest und lösten dort Entzündungen aus. Hierbei dienten Vögel ebenfalls als Zwischenwirt. Dieser Parasit breite sich aktuell von Süddeutschland nach Norden aus.

"Eine Impfung gegen den Taubenparasiten wäre möglich", sagt Gruber. Allerdings müsste ein Impfstoff erst entwickelt werden. Etwa vier Jahre bräuchten die Forscher dafür. Zugleich müssten sich ein Pharmaunternehmen und ein hinreichend großer Absatzmarkt finden. 2011 war der Erreger bereits in den USA festgestellt worden. "Ob es in Deutschland weitere Fälle gibt, ist nicht gesichert geklärt", berichtet der Institutsleiter. Die Symptome, die der Erreger hervorrufe, glichen denen anderer, bereits bekannter Krankheiten.

Für Menschen ist der Tauben-Parasit nach Grubers Worten ungefährlich. "Trotzdem sollten Tauben nicht berührt werden, weil sie Träger verschiedener Krankheiten sind", warnt der Fachtierarzt für Pathologie. Eine Übertragung auf andere Tiere wie Hühner, die ebenfalls mit Greifvögeln in Kontakt geraten können, ist laut Gruber nicht festgestellt worden.

Nun wollen die Forscher die Gehirne der verendeten Tauben untersuchen. "Das Besondere daran ist, dass eine Gehirnentzündung vorlag, ohne dass sich der Erreger im Kopf befand", erläutert der Tierarzt. Bislang hätten Experten auf der Suche nach Ursachen in solchen Fällen im Dunkeln getappt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Untersuchung. "Die zentrale Frage ist nun", sagt Gruber, "wie können Entzündungen ohne Erreger entstehen".

dapd