Lyon - Helicobacter pylori, die Hepatitis B- und C-Viren, humane Papillomaviren und andere Keime sind weltweit für ein Sechstel aller Krebserkrankungen verantwortlich. Nach Berechnungen in Lancet Oncology (2012; doi: 10.1016/S1470-2045(12)70137-7) entfällt die Mehrzahl der Erkrankungen auf Entwicklungsländer.
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Das Team um Catherine de Martel und Martyn Plummer von der International Agency for Research on Cancer (IARC) in Lyon hat für acht Regionen die populationsattributablen Risiken (PAR) für einzelne Krebserkrankungen ermittelt. Die PAR ist der Prozentsatz, um den die Zahl der Neuerkrankungen sinken würde, wenn ein auslösender Risikofaktor vermieden würde.

Bei einigen global gesehenen häufigen Krebserkrankungen ist der PAR von Krankheitserregern sehr hoch. Magenkrebs wird überwiegend durch H. pylori (PAR 75 Prozent) ausgelöst. Hepatitisviren (PAR 77 Prozent) sind die wichtigste Ursache für Leberkrebs. Das Zervixkarzinom der Frau gilt sogar als alleinige Folge einer Infektion mit humanen Papillomaviren (PAR 100 Prozent).

Zu den seltenerer Keimen, die Krebs auslösen können zählen Opisthorchis viverrini (ein in Südostasien verbreiteter Saugwurm, Auslöser von Gallengangskarzinomen), Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel, ebenfalls Auslöser von Gallengangskarzinomen), Epstein-Barr-Virus (Burkitt- und andere Lymphome), humanes T-lymphotropes Virus Typ 1 (T-Zell-Leukämie), humanes Herpesvirus Typ 8 (Kaposi-Sarkom) und der Bilharziose-Erreger Schistosoma haematobium (Blasenkrebs).

Die PAR wurden dann mit den Inzidenzdaten aus dem Jahr 2008 in Beziehung gesetzt. Unter dem Strich kam heraus, dass von den weltweit 12,5 Millionen Krebserkrankungen 2 Millionen (16,1 Prozent) auf Infektionen zurückzuführen sind. Davon entfallen 1,9 Millionen auf Helicobacter pylori, die Hepatitis B- und C-Viren und humane Papillomaviren.

Von den 7,5 Millionen Krebstodesfällen sind 1,5 Millionen Spätfolge einer, wie die Autoren schreiben häufig vermeidbaren Infektion. Infektionen mit H. pylori können mit Antibiotika, die Hepatitis B und C mit Interferon und neuen Virustatika behandelt werden und für das Zervixkarzinom gibt es eine effektive Vorsorge. Hinzu kommen Impfstoffe gegen Hepatitis B und einige onkogene HP-Viren.

Therapie, Vorsorge und Impfstoffe stehen jedoch nur in den reicheren Ländern zur Verfügung, was erklärt, warum die meisten infektionsbedingten Todesfälle auf die ärmeren Länder entfallen. Die Spanne der PAR reicht von 3,3 Prozent für Australien und Neuseeland bis 32,7 Prozent für Afrika südlich der Sahara. In Europa beträgt der Anteil 7 Prozent oder 220.000 von 3,2 Millionen Krebserkrankungen pro Jahr.

Das Paradigma von Krebs als einer nicht übertragbaren Erkrankung wie zuletzt 2011 auf einer UN-Tagung zu „non-communicable diseases“ ist nach Ansicht der Autoren nicht aufrechtzuerhalten. Durch die Förderung existierender Maßnahmen zur Infektionskontrolle wie Impfungen, sichere Injektionspraktiken und auch Antibiotika könnte die Krebsrate substanzielle gesenkt werden.

Der Leiter des IARC, Christopher Wild, fügt allerdings hinzu, dass die Maßnahmen auf die einzelnen Länder zugeschnitten werden müssen. Eine Senkung der Krebsrate und der Krebstodesfälle sei vor allem für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu erreichen. In den Industrieländern dürften die Möglichkeiten den Berechnungen der Autoren zufolge bereits ausgereizt sein. Hier stehen andere Krebsursachen im Vordergrund.

rme