Die Aufständischen in Syrien haben den Uno-Friedensplan für gescheitert erklärt. Bei einem Massaker im Dorf Hula hatten die Truppen des Diktators Assad Dutzende Menschen getötet, darunter viele Kinder. Jetzt kündigen die Rebellen Vergeltung an: "Das Regime versteht nur die Sprache der Gewalt."
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Abu Ibrahim hielt es von Anfang an für ein gefährliches Unterfangen. Der von der syrischen Armee desertierte Offizier hatte keinerlei Vertrauen in die Uno-Friedensinitiative. Für den Rebellen war jener von den Vereinten Unionen und deren Syrien-Sondergesandten Kofi Annan erstellte Sechs-Punkte-Plan, der Syrien befrieden sollte, nichts mehr als eine willkommene Möglichkeit für das Regime, Zeit zu gewinnen - "und noch mehr Unschuldige zu töten." Abu Ibrahims schlimmste Befürchtungen sollten sich bewahrheiten: 92 Zivilisten, darunter 32 Kinder, starben in Hula bei der jüngsten Attacke des Assad Regimes gegen die Aufständischen.

Die Aufständischen können ihre Wut kaum verbergen. Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) erklärten den Uno-Friedensplan kurzerhand für "tot". Wie der US-Sender CNN berichtet, habe einer der Anführer der FSA die Mitglieder dazu aufgefordert, sich für das Massaker zu rächen: Nach einer langen Geduldsprobe sei es schlicht nicht mehr möglich, den Friedensplan aufrechtzuhalten.

Kofi Annans Initiative sah den Truppenrückzug der Regierung und eine Waffenruhe vor. Doch seit der Waffenstillstand im März fest vereinbart wurde, hat ihn Damaskus immer wieder gebrochen: Nach Angaben der Örtlichen Koordinationskomitees der Opposition wurden seither mehr als 1600 Menschen durch das Regime getötet.

In Hula seien ganze Familien von Assads Truppen abgeschlachtet worden, berichten Aktivisten. "Das ist ein klarer Beweis dafür, dass Kofi Annans Plan tot ist, und ein deutliches Zeichen dafür, dass Bashar Assad und seine kriminelle Bande nichts anderes als die Sprache von Gewalt verstehen", sagte der FSA-Sprecher Kasim Saad Eddine in einem Video. Er forderte die Uno auf, sich auf ihre Verantwortung zu besinnen und die Gewalt in Syrien zu stoppen. Andernfalls fühle sich die FSA nicht mehr an die geltende Waffenruhe gebunden.

Das Vorgehen der Assad-Truppen bei dem jüngsten Angriff hat weltweit für Entsetzen und Empörung gesorgt. Die Regierung Assad antworte auf friedlichen politischen Protest mit "unsäglicher und unmenschlicher Brutalität", hieß es aus dem Weißen Haus in Washington.

Barack Obama hofft auf Hilfe von Putin

US-Präsident Barack Obama setzt allerdings weiter auf eine friedliche Lösung. Er hoffe, mit Hilfe Russlands Assad zum Rücktritt zu bewegen. Den Machtwechsel in Jemen sieht er als politisches Vorbild für Syrien. Allerdings hängt der Vorstoß maßgeblich von Moskaus Bereitschaft ab, den Druck auf seine Verbündeten in Damaskus zu erhöhen. Nach Angaben der US-Regierung will Obama seinen Vorschlag nächsten Monat mit Wladimir Putin erneut diskutieren. Es wird das erste Treffen zwischen dem US-Präsidenten und dem Präsidenten Russlands seit dessen Rückkehr in den Kreml sein. Beim G-8-Gipfel in Camp David vor etwa einer Woche hatte sich Russland in der Syrien-Frage noch verhalten geäußert.

Die Europäische Union hat dagegen die internationale Gemeinschaft zu Schritten gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad aufgerufen. "Die internationale Gemeinschaft muss mit einer Stimme sprechen und ein Ende des Blutvergießens fordern", schrieb die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in einer am Sonntag in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Gemeinsam müsse man den syrischen Präsidenten zum Rücktritt drängen.

Ashton kündigte an, mit Kofi Annan zu sprechen und ihm die volle Unterstützung der EU zu versichern. Die Außenbeauftragte rief die Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats auf, sich mit dem Thema zu befassen. Sie verurteilte die Massaker als "abscheulich". Bereits Mitte Mai hatte die EU ihre Sanktionen gegen das Assad-Regime verschärft. So wurden 128 Einreiseverbote verhängt, zudem wurden die Vermögen führender Regimemitglieder eingefroren.

Unterdessen ging das Blutvergießen auch am Sonntag weiter: In der syrischen Hauptstadt Damaskus waren am Sonntagmorgen mehrere Explosionen zu hören. Bei einem Bombenanschlag auf ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte seien mehrere Insassen verletzt worden, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. In mehreren Gebieten am Rand von Damaskus sei es zu Gefechten zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Rebellen gekommen. Aktivisten in Syrien berichteten darüber hinaus von heftigem Gewehrfeuer im Umkreis der Kontrollpunkte des Ortes Kanaker bei Damaskus.

Die syrische Führung hat die Verantwortung für das Massaker in Hula zurückgewiesen. "Frauen, Kinder und alte Männer sind erschossen worden", bestätigte zwar ein Sprecher des Außenministeriums am Sonntag. Die "heroische syrische Armee" habe mit diesen Taten aber nichts zu tun.