Aus Wut über das Ergebnis der ersten Wahlrunde in Ägypten haben Hunderte Menschen das Hauptquartier des Präsidentschaftskandidaten Schafik angegriffen. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo kam es zu heftigen Protesten gegen den regierenden Militärrat.
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Die ersten offiziellen Ergebnisse der ägyptischen Präsidentschaftswahl haben in der Nacht zum Dienstag heftige Ausschreitungen in Kairo und anderen Teilen des Landes hervorgerufen. Aus Wut über die Hochrechnungen setzten mehrere hundert Menschen das Büro des Kandidaten Ahmed Schafik in Brand. Der frühere Luftwaffenchef und letzte Ministerpräsident des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak wird von vielen als Vertreter des alten Regimes betrachtet.

Wie Sicherheitskräfte und Augenzeugen berichteten, warfen die Angreifer Fenster ein, schleuderten Wahlunterlagen aus dem Fenster und zerrissen Wahlplakate, bevor sie schließlich ein Feuer legten. Acht Menschen wurden festgenommen, verletzt wurde niemand.

Nachdem das Feuer gelöscht war und die Polizei das Gelände gesichert hatte, versammelten sich Anhänger Schafiks vor dem Büro. "Die Muslimbrüder sind Feinde Gottes", riefen sie in Sprechchören und hielten Bilder von Schafiks Kontrahent Mohammed Mursi hoch, der in der Wahl die Muslimbruderschaft repräsentiert. Mursi erhielt dem offiziellen Ergebnis zufolge 5,76 Millionen Stimmen (etwa 25 Prozent). Schafik gilt mit 5,5 Millionen Stimmen als Zweitplatzierter.

In der Innenstadt Kairos versammelten sich Tausende Menschen zu einer Kundgebung auf dem Tahrir-Platz - an dem Ort also, an dem mit Massenprotesten vor mehr als einem Jahr der Sturz des langjährigen Machthabers Mubarak eingeleitet worden war. Die Proteste richteten sich sowohl gegen den regierenden Militärrat, als auch gegen die beiden Politiker, die sich nun in einer Stichwahl gegenüberstehen. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete von bis zu 2000 Demonstranten. Vereinzelt sei es zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der verschiedenen politischen Lager gekommen.

Die Demonstranten kritisierten die Wahlen als unfair und nicht repräsentativ. "Es kann nicht sein, dass wir nur zwischen einem religiösen Staat und einem autokratischen Staat wählen dürfen. Dann haben wir nichts erreicht", sagte der 35-jährige Demonstrant Ahmed Bassiuni.

In der nördlichen Metropole Alexandria, einer Hochburg des in der ersten Wahlrunde drittplatzierten linksgerichteten Kandidaten Hamdin Sabahi, rissen Demonstranten große Plakate sowohl von Schafik als auch von Mursi herunter und setzten sie in Brand. Auch in den Provinzen Dakahlija und Mansura im Nildelta kam es zu Protesten.

Unterlegene Kandidaten fechten Wahlergebnis an

Die Wahlkommission wies unterdessen Wahlanfechtungen als "grundlos" zurück, die unterlegene Kandidaten eingereicht hatten. Die Beschwerdeführer hatten Verstöße gegen die Wahlordnung und massiven Stimmenkauf kritisiert. Unter den Beschwerdeführern gegen den ersten Wahlgang war auch Sabahi. Er beanstandete unter anderem, dass Schafik eigentlich von der Wahl hätte ausgeschlossen werden müssen. Er berief sich auf die Wahlordnung, die vorsieht, dass Vertreter des alten Regimes nicht wählbar sind.

Auch der gemäßigte Islamist und Ex-Muslimbruder Abdel Moneim Abul Futuh sagte, die Wahl sei "nicht sauber" gewesen. "Ich hatte gehofft, sie würde zumindest so fair und korrekt sein wie die Parlamentswahl (zur Jahreswende). Sie war es nicht." Abul Futuh, den Meinungsforscher vor der Wahl als Favoriten gehandelt hatten, kam mit knapp 4,1 Millionen Stimmen nur auf den vierten Platz.

Mursi und Schafik bringen sich für Stichwahl in Stellung

Die beiden Bestplatzierten brachten sich bereits für die Stichwahl am 16. und 17. Juni in Stellung. "Ich verspreche allen Ägyptern eine neue Ära", erklärte Schafik. Die Muslimbruderschaft umwarb einige in der ersten Runde unterlegene Kandidaten. Unter anderem sollen ihnen die Vize-Präsidentschaft und wichtige Posten in der nächsten Regierung angeboten worden sein, sollten sie ihre Anhänger im Juni zur Wahl Mursis aufrufen. Sabahi und Abul Futuh erklärten, in keinerlei Verhandlungen mit den Muslimbrüdern zu stehen.

Aktivisten der Aufstandsbewegung werden in der Stichwahl voraussichtlich eher zur Wahl Mursis aufrufen. Gegenüber dem früheren Mubarak-Gefolgsmann Schafik betrachten sie ihn als das geringere Übel.

Süddeutsche.de/dapd/dpa/feko/gal