Das Pflanzenschutzamt hat giftige Raupen am Autobahnkreuz Hamburg-Süd entdeckt. Vorsicht: Die Tiere sind gesundheitsschädigend.
Eichenprozessionsspinner
© dpaEichenprozessionsspinner-Raupen breiten sich aus
Hamburg. Optisch haben sie etwas von unter dem Sofa vergessenen Lakritzstangen, an denen die Katzenhaare der vergangenen fünf Jahre hängen geblieben sind. Doch während man die Uralt-Süßigkeiten eventuell mit Ekel, aber einfach entsorgen kann, stellen die Raupen des Eichenprozessionsspinners Fachleute vor eine Herausforderung. Die Tiere sind neu nach Hamburg eingewandert, und sie schädigen durch ihren Fraß nicht nur Eichen, sondern sind vor allem für den Menschen gefährlich. Ihre Brennhaare führen zu toxischen Reaktionen, die bis zu einem anaphylaktischen Schock führen können und deshalb immer vom Arzt behandelt werden sollten.

"Wir haben bisher zehn befallene Bäume gefunden", sagt Gregor Hilfert vom Hamburger Pflanzenschutzamt. "Diese befinden sich am Autobahnkreuz Hamburg-Süd, auf einem sogenannten Ohr, der innen liegenden Grünfläche bei einer Abfahrt." An den Bäumen kann man deutlich erkennen, woher die Tiere ihren Namen haben: In langen Prozessionen wandern die Raupen von Thaumetopoea processionea, so der wissenschaftliche Name, den Stamm der Eichen entlang, lassen bei ihren Beutezügen von den Blättern nur die Blattmittelrippe stehen und bilden Gespinste am Stamm und den Ästen, die von Handballgröße bis auf einen Meter Länge anwachsen und dann Hunderte Raupen beherbergen können.

Im vergangenen Sommer hatte man die Wärme liebende Art, die seit Mitte der 1990er-Jahre verstärkt in Deutschland auftritt, das erste Mal in Hamburg entdeckt. "Im Juli an zwölf Eichen in Winterhude, im Bereich Wiesendamm", sagt Hilfert. Da waren die Raupen jedoch schon verpuppt. Jetzt sind die Tiere, die im Mai aus im Herbst des Vorjahres gelegten Eiern geschlüpft sind und aus denen unscheinbare, graue, 30 Millimeter große Nachtfalter werden, noch aktiv. Und ihre Entfernung Expertenaufgabe.

Am Autobahnkreuz sind derzeit fünf Mitarbeiter der Baumpflege-Firma Uwe Thomsen im Einsatz. "Um jeden Kontakt zu den feinen Härchen zu vermeiden, tragen unsere Mitarbeiter Vollkörperschutz und Schutzmasken", erklärt Thomsen. Die Nester werden von den Männern abgesaugt. Die verwendeten Sauger sind sehr leistungsstark und ähnlich gefiltert wie ein Asbestsauger. Der Saugerbeutel wird in einen Kanister verplombt und anschließend, samt Kanister, ungeöffnet in der Müllverbrennungsanlage verbrannt. "Auch danach sollte der befallene Baum, aber auch die Nachbareichen, auf eventuell zurückgebliebene Raupen überprüft werden", sagt Uwe Thomsen.

Was bei Kontakt mit den Brennhaaren mit der Haut passiert, müsse man sich wie die Reaktion auf den Kontakt mit Brennnesseln vorstellen, erklärt Dermatologe und Allergologe Prof. Matthias Augustin, Institutsdirektor am UKE: "Das ist eine toxische Reaktion, wobei in der Haut Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet werden." Die mit Widerhaken versehenen Brennhaare der älteren Raupen enthalten das Nesselgift Thaumetopoein, auf das Menschen und auch andere Säugetiere wie etwa Pferde mehr oder minder stark reagieren - je nach Empfindlichkeit des Immunsystems. "Bei Asthmatikern kann schon das Einatmen von kleinen Mengen der Härchen zu Atemnotreaktionen führen", so Prof. Augustin. Doch nicht nur hier sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden: Auch eine Hautreaktion mit Quaddeln sollte vom Arzt behandelt werden, so der Experte: "In Extremfällen kann es zu einem anaphylaktischen Schock kommen, durch eine fortgesetzte Immunreaktion im Körper." Als erste Maßnahme nach einer Raupen-Berührung sei ein Ausziehen der Kleidung und ein Abwaschen des Körpers hilfreich, um weiteren Kontakt mit den Haaren zu vermeiden.

Wer den Verdacht hat, in seinem Garten Eichenprozessionsspinner zu haben, oder anderswo ein Nest gesehen hat, sollte das zuständige Bezirksamt oder das Pflanzenschutzamt kontaktieren. "Die Tiere, die wir jetzt nicht bekämpfen, breiten sich aus", sagt Hilfert, der unter Telefon 040 / 428 41-52 20 Auskünfte gibt. Eine Verwechslungsgefahr bestehe etwa mit Gespinstmotten, doch die "spinnen" ganze Bäume wie Weißdorn oder Traubenkirsche ein, während der Eichenprozessionsspinner nur auf Eichen anzutreffen ist. "Wer sich unsicher ist, sollte ein Foto von dem Gespinst machen", rät Hilfert.

Die Kosten für die Entfernung auf Privatgrundstücken müssen die Besitzer tragen, doch dazu soll es demnächst ein Treffen von Vertretern der Gesundheits-, Umwelt- und Wirtschaftsbehörde und der Bezirksämter geben. Auf tierische Beseitigung des Problems ist leider kaum zu hoffen: Der einzige natürliche Feind der Eichenprozessionsspinner ist hierzulande nur der Kuckuck.

Ein Faltblatt zum Eichenprozessionsspinner: www.abendblatt.de/wissen-raupen