Vor zwei Millionen Jahren in Afrika: Zwei menschliche Vorfahren werden von Erdmassen verschüttet. Ein Glücksfall für die Forschung. Denn die gut erhaltenen Zähne verraten die damaligen Mahlzeiten.
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© dpaDie Wissenschaftlerin Amanda Henry mit einem der untersuchten Schädel
Der Speiseplan der frühen menschlichen Vorfahren war reichhaltiger als bisher gedacht - und enthielt sogar Baumrinde. Das fand ein internationales Wissenschaftlerteam um Amanda Henry vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig heraus. Demnach hatte die erst vor wenigen Jahren neu entdeckte Homininen-Art Australopithecus sediba aus Malapa in Südafrika unter anderem Baumrinde, Blätter, Früchte und Seggen, ein Sauergrasgewächs, im Nahrungsprogramm, berichten die Forscher im Fachjournal Nature.

Baumrinde konnte bisher bei anderen frühen Homininen nicht als Nahrungsmittel nachgewiesen werden. Zur Überraschung der Wissenschaftler unterschieden sich die Essgewohnheiten von Australopithecus sediba von anderen ähnlich alten afrikanischen Homininen. Ihr Speiseplan gleicht eher dem von Schimpansen.

Zwei Millionen Jahre alte Zähne untersucht

Aufklärung lieferte die Untersuchung von zwei Millionen Jahre alten Zähnen eines älteren Weibchens und eines jüngeren Männchens dieser Art. Die beiden Homininen waren einst in einen Erdrutsch geraten und von Sand und Gestein verschüttet worden. Durch diese Konservierung waren ihre Kauwerkzeuge gut erhalten. Sie waren teilweise von einem schützenden Luftkissen umgeben.

Im Zahnstein entdeckten die Forscher Phytolithen, versteinerte Überreste von Pflanzen. „Ich reiste nach Südafrika und entfernte mit Hilfe eines Zahnstochers kleine Zahnsteinspäne von der Oberfläche der Zähne von einem der beiden Fossilien“, berichtete Amanda Henry. „Den Zahnstein brachte ich dann ins Labor und suchte nach mikroskopischen Überresten von Pflanzen, den sogenannten Phytolithen, die im Zahnstein eingeschlossen waren. Mit Hilfe zweier Kollegen, die diese Phytolithen in heute lebenden südafrikanischen Arten untersucht hatten, identifizierten wir die Pflanzen, von denen die uralten Phytolithen stammten.“

Beispiel für Ausbreitung unserer Vorfahren

„Persönlich fand ich es überraschend, dass unsere frühen Vorfahren Baumrinde aßen“, sagte der Leiter des Forschungsprojekts Lee Berger von der südafrikanischen Universität von Witwatersrand in einer Mitteilung. Obwohl seit Jahren bekannt sei, dass Primaten, einschließlich der Menschenaffen, Baumrinde als eiserne Reserve in Notzeiten essen, hätte er sie nicht auf dem Speiseplan eines frühen menschlichen Vorfahren vermutet. Unter den fossilen Funden früher menschlicher Überreste sei diese Entdeckung einmalig. „Es handelt sich um den ersten direkten Beweis dafür, was unsere frühen Vorfahren in den Mund nahmen und kauten - was sie aßen“, sagte der Forscher.

„Wir glauben, dass dies hier ein Beispiel dafür ist, wie frühe Homininen sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Umgebungen ausgebreitet haben“, sagte Amanda Henry. Es sei ziemlich sicher, dass die meisten anderen Homininen derselben Zeitperiode mehr oder weniger dasselbe Habitat genutzt haben: die offene Savanne.

Mehr Nischen als gedacht

Die neuen Daten zeigten nun jedoch, dass es mehr Vielfalt hinsichtlich der Nischen gab, in denen Homininen lebten, und ebenso eine größere Vielfalt an Verhaltensweisen. „Vielleicht war dies eine Möglichkeit für A. sediba, der Konkurrenz zu anderen Homininen aus dem Weg zu gehen? Vielleicht war es eine Reaktion auf Umweltveränderungen? Wir wissen es nicht mit Sicherheit aber zukünftige Studien, die sich der Fragestellung widmen werden, wie A. sediba seine Landschaft nutzte, werden uns bei der Beantwortung dieser Frage weiterhelfen“, betonte die Wissenschaftlerin.

jh/dpa