Eine Bombe tötet Mitglieder des innersten Machtzirkels des Assad-Regimes. Die Rebellen sprechen bereits vom nahenden Sieg. Doch der letzte Akt der syrischen Tragödie könnte sich noch lange hinziehen.

Die syrische Rebellenarmee und ihre zweifelhaften Verbündeten aus militant islamistischen Kreisen suchen die Entscheidung in dem Bürgerkrieg, der seit 16 Monaten tobt und nach UN-Schätzungen bislang mehr als 17.000 Todesopfer gefordert hat.

Der Anschlag auf die Behörde für Nationale Sicherheit, mitten in Damaskus, mitten im stark gesicherten Al-Rawda-Viertel, zeigt, wozu die immer selbstbewusster auftretenden Aufständischen inzwischen in der Lage sind und zu welchen Informationen sie Zugang haben.

Augenzeugen berichteten von fünf weiteren Detonationen im Hauptstadtbezirk Muhadschirin in der Nähe einer Militärbasis, die vom Präsidentenbruder Maher al-Assad, der in der Bevölkerung unter dem wenig schmeichelhaften aber aussagekräftigen Spitznamen "der Schlächter" firmiert, geführt wird.

Assef Schaukat galt als skrupelloser, wahrer Herrscher Syriens mit großem Einfluss auf Präsident Assad
Das Treffen des innersten Sicherheitszirkels von Präsident Baschar al-Assad war naturgemäß geheim. Die Attentäter konnten offenbar im Versammlungssaal eine Bombe platzieren und zünden, die den christlichen Verteidigungsminister Daud Radschha (65), dessen Stellvertreter Assef Schaukat sowie General Hassan Turkmani, der das Kommando zur Zerschlagung der Rebellion leitete, tötete.

"Anfang vom Ende des Regimes"

Innenminister Mohammed al-Schaar sowie der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros Hischam Bechtiar wurden offenbar verletzt. Rebellenkommandeur Riad al-Asaad (nicht verwandt mit dem Präsidenten) sagte in der Türkei: "Das ist der Anfang vom Ende des Regimes."

Dass das staatliche syrische Fernsehen über das Attentat sowie die Opfer offen berichtete, ist ungewöhnlich und in diesem Fall auch überraschend. Denn der gefürchtete General Schaukat, der mit Assads älterer Schwester Buschra (52) verheiratet war, war ebenso wie Verteidigungsminister Radschha bereits nach einem Giftanschlag vor zwei Monaten von den Rebellen für tot erklärt worden.

Schaukat galt als skrupelloser, wahrer Herrscher Syriens mit großem Einfluss auf den Präsidenten. Der 62-jährige Ex-Geheimdienstchef soll auch den Mord an dem libanesischen Premier Rafik al-Hariri 2005 in Beirut orchestriert haben.

Die syrische Opposition war sich im Mai "sehr sicher", dass ein eingeschleuster Koch die Mitglieder des innersten Machtzirkels des Präsidenten vergiftet habe. Sogar eine große Begräbniszeremonie in Schaukats Heimatdorf al-Madehleh nahe Tartus am Mittelmeer wurde beobachtet.

Nutzt das Regime den Anschlag?

Fest steht: Seit dem Giftanschlag wurden beide hochrangigen Repräsentanten des Regimes nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Sadiqu al-Mousllie, Vertreter des oppositionellen syrischen Nationalrats in Deutschland, schloss im Gespräch mit Welt Online nicht aus, dass das Regime den Anschlag nun nutzt, um mit einer Wahrheit herauszurücken, die zwei Monate alt ist.

Die islamistische Rebellen-Organisation Liwa al-Islam (Brigade des Islam) erklärte auf ihrer Facebook-Seite, sie habe das Krisenkontrollzentrum in Damaskus angegriffen. Die Freie Syrische Armee, in der Deserteure und Rebellen lose zusammengeschlossen sind, bekannte sich über ihren Sprecher Qassim Saadedine ebenfalls zu dem Anschlag.

"Das ist der Vulkan, von dem wir gesprochen haben. Wir haben gerade erst begonnen." Die Rebellen hätten "die Schlacht aus der syrischen Provinz nun in die Hauptstadt getragen", sagte der Sprecher im Rang eines Obersten. "Wir haben einen genauen Plan, wie wir ganz Damaskus unter unsere Kontrolle bringen werden - zwar nur mit leichten Waffen, aber das wird reichen. Der Sieg ist nah!"

Doch der letzte Akt der syrischen Tragödie könnte sich noch lange hinziehen. Die Unterstützung für Assad bröckelt zwar, vor allem in den Streitkräften. Immer mehr hochrangige Militärs setzen sich in das Nachbarland Türkei ab, darunter bislang 20 Generäle.

Die Angst der Deserteure

Der hochrangigste Deserteur war Anfang Juli General Manaf Tlass, Jugendfreund und lange Jahre enger Vertrauter Assads, dessen Vater Mustafa schon Verteidigungsminister unter Assad senior war.

Tlass junior meldete sich nun aus dem Pariser Exil und warf der syrischen Führung vor, die "Hauptverantwortung" an der Krise zu tragen. Doch anders als während der ägyptischen oder tunesischen Revolution, halten große Teile des diplomatischen Corps sowie der Armee dem strauchelnden Regime die Treue.

Warum ist das so? Das Assad-Regime hat es seit mehr als 40 Jahren verstanden, Schlüsselpositionen in Staat und Armee entweder mit Mitgliedern ihrer eigenen Minderheit der Alawiten oder Angehörigen anderer Minderheiten, also Schiiten oder Christen zu besetzen.

Innerhalb der Machtelite finden sich nur wenige Sunniten. Das Regime stellte Loyalität her, indem sie ihr Schicksal mit dem der Armee verknüpfte. Offener Dissens ist in Syrien noch immer lebensgefährlich, es herrscht eine Kultur aus Angst und Paranoia.

Als der Vize-Ölminister Abdu Husameddine im März dem Assad-Regime den Rücken kehrte, sagte er: "Ich muss nun damit rechnen, dass die Regierung mein Haus anzünden und meine Familie verfolgen wird."