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© dpaEin Bus der Feuerwehr wird für Evakuierungsmaßnahmen bereitgehalten
Die Einwohner der hessischen Stadt Oestrich-Winkel kamen noch einmal mit dem Schrecken davon: Ein beschädigter Tank mit giftigem Gas drohte zu platzen. Mehr als 500 Katastrophenschützer, Feuerwehrleute, Polizisten und Sanitäter waren im Einsatz. Es gab mehrere Verletzte.

Großeinsatz nach einem Giftgas-Unfall in einer Fabrik im Rheingau. Die Feuerwehr postiert Wasserwerfer, Evakuierungen werden vorbereitet. Über Stunden droht ein Chemiekalientank zu platzen.

Weißer Qualm über der Fabrik

Bei einem Industrieunfall mit giftigem Gas ist die hessische Stadt Oestrich-Winkel mit dem Schrecken davongekommen. Neun Feuerwehrleute wurden am Montag leicht verletzt, als sie das blausäurehaltige Gas aus einer Schaumstofffabrik einatmeten. Lange blieb die Lage in dem Weinort im Rheingau angespannt. Experten gelang es über Stunden nicht, einen überhitzten Chemikalientank herunterzukühlen.

Erst spät abends deutete sich Entwarnung an. „Es gibt eine erste Tendenz, dass der Tank nicht mehr ausdampft“, sagte der Sprecher des Rheingau-Taunus-Kreises, Christoph Zehler. Die chemische Reaktion sei vermutlich abgeklungen. Die Behörden korrigierten ihre Pläne wieder nach unten, die Häuser mehrere hundert Meter um die Unglücksstelle für die Nacht zu räumen.

Warnung: „Rauchen strengstens verboten“

Um 12.45 Uhr heulten in Oestrich-Winkel die Sirenen. „Von meiner Wohnung aus war zu sehen, dass aus dem Dach der Fabrik weißer Qualm herauskam, viel weißer Qualm“, berichtete der Anwohner Thomas Becker. Nach Behördenangaben war die giftige Chemikalie bei einem Ladevorgang auf dem Betriebsgelände durch ein Sicherheitsventil ausgetreten. Spezialkräfte der Feuerwehr banden die Chemikalie mit Wasser ab. Die verletzten Feuerwehrleute wurden ärztlich behandelt.

Trotzdem blieb die Gefahr hoch, dass der beschädigte Tank platzt. Rund um das Werk wurden mehr als 500 Katastrophenschützer, Feuerwehrleute, Polizisten und Sanitäter zusammengezogen. Die Werksfeuerwehr des Infraserv-Chemieparks aus Wiesbaden war am Kessel im Einsatz. Rund um die Fabrik, an der in Rot der Spruch prangt: „Im Werksgelände Rauchen strengstens verboten“, wurden Luft-Messstellen errichtet.

Auf Evakuierung vorbereitet

Der Bürgermeister der Stadt, Paul Weimann (CDU), durchlebte bange Stunden. „Wir haben das Problem, dass unsere Wasservorräte zu Ende gehen“, berichtete er am Abend. In Eile legte die Feuerwehr neue Schlauchverbindungen und pumpte Wasser aus dem nahe gelegenen Rhein hoch. Die Feuerwehrmänner erzeugten lange Reihen von Fontänen, um bedrohte Wohnhäuser hinter einer Wasserwand zu schützen. Unterdessen bereiteten der Bürgermeister und Helfer Bürgerhäuser und Turnhallen vor, um bis zu 700 Menschen für die Nacht aufzunehmen.

Die Bevölkerung war den Tag über aufgefordert worden, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Die Lage blieb aber ruhig. Trotz Absperrung kamen immer wieder Freizeitradler an dem Fabrikgelände vorbei.

Entwarnung für die Bevölkerung - Polizei ermittelt

Die Fabrik produziert Schaumstoffe, die zum Beispiel als Verpackungsmaterial eingesetzt werden. Bei der Chemikalie handelte es sich den Angaben nach um Isocyanat, das einen hohen Anteil der giftigen Blausäure hat. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen der Unglücksursache.

Inzwischen gaben die Behörden Entwarnung für die Bevölkerung. „Der Einsatz ist beendet. Die chemische Reaktion hat sich wirklich totgelaufen“, sagte der Sprecher des Rheingau-Taunus-Kreises, Christoph Zehler, in der Nacht zum Dienstag. Für Menschen bestehe keine Gefahr mehr. Es sei unbedenklich möglich, sich im Freien aufzuhalten sowie Türen und Fenster zu öffnen. Anwohner mussten nicht evakuiert werden. Ursprünglich war geplant gewesen, Hunderte Menschen aus der Gefahrenzone zu bringen.

frz/ah/dpa